Bundeshaushalt:Christian Lindner und das Nein

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Der Minister, von dem gerade alle anderen Extra-Milliarden wollen: Christian Lindner. (Foto: via www.imago-images.de/Imago Images/Political-Moments)

Der Finanzminister wird nun von allen Seiten bedrängt, Geld herzugeben. Die Ampelkoalition aber muss viel klarere Prioritäten setzen als die alte Regierung.

Kommentar von Henrike Roßbach

Auf Seite 161 des Koalitionsvertrags finden sich zwei Absätze, die SPD, Grüne und FDP zwar irgendwann einmal gemeinsam verfasst haben, die aber offenbar schon länger niemand mehr gelesen hat. Es sei erforderlich, heißt es dort, dass "alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden" und eine "strikte Neupriorisierung" erfolge. Auch "Ausgabenkürzungen" für Zukunftsinvestitionen werden angekündigt.

Zum Auftakt der Haushaltsverhandlungen hat Bundesfinanzminister Christian Lindner zwar noch einmal an diese Passage erinnert. Genützt hat es nichts. Die Milliardenforderungen, die an ihn herangetragen wurden, überschreiten offenbar selbst das in jeder Haushaltsrunde eingepreiste Maß an Unbescheidenheit.

Lindner ist geradezu Architekt seines finanziellen Dilemmas

Bemitleiden allerdings muss man Lindner deswegen nicht. Erstens, weil er den Job ja unbedingt wollte. Er begreift ihn zu Recht als Machtzentrum der Regierung; schließlich hat seine FDP in der schwarz-gelben Koalition unter Kanzlerin Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble erfahren, wie es laufen kann, wenn im Finanzressort ein Nein-Sager aus dem anderen Lager sitzt.

Außerdem ist Lindner ja geradezu Architekt seines finanziellen Dilemmas. Die Grünen hätten die Schuldenbremse gerne "reformiert", sprich: gelockert. Die SPD wollte zumindest die Steuern erhöhen. Die FDP dagegen hat die Einhaltung der Schuldenbremse und den Verzicht auf Steuererhöhungen zur Bedingung gemacht. Jetzt muss Lindner halt sehen, wie er die Wunschträume seiner Kollegen auf Normalmaß stutzt, ohne eine Erosion bei den Ampelvorhaben auszulösen.

In der Pandemie musste die Regierung sich mit milliardenschweren Hilfen gegen die Krise stemmen; alles andere wäre ökonomischer Irrsinn gewesen. Vor der Pandemie wiederum war ein ausgeglichener Haushalt dank sprudelnder Steuereinnahmen und niedriger Zinsen keine große Kunst. Die Ampel ist nun die erste Regierung seit Langem, die aufs Geld gucken muss. Das ist ungemütlich, aber es ist richtig.

Konflikte mit Geld zu lösen, das funktioniert nicht mehr

Zum einen ändert sich das geldpolitische Umfeld. Die Inflation ist gestiegen und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Europäische Zentralbank ihre Nullzinspolitik beenden wird. Schulden machen wird mittelfristig teurer; zudem muss der Staat aufpassen, die Inflation durch Ausgabenprogramme nicht anzuheizen.

Zum anderen aber ist auch das Ergebnis des alten Groko-Prinzips, Konflikte mit Geld zu lösen, wenig überzeugend. Wichtige Investitionen blieben trotz hoher Steuereinnahmen entweder aus oder scheiterten an mangelnden Strukturen. Stattdessen flossen Milliarden in parteipolitische Lieblingsprojekte wie die Mütterrente oder die Rente mit 63. Wenn die Ampel jetzt Prioritäten setzen muss, kann das eine Chance sein für eine zielgerichtete Investitionspolitik.

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Allerdings rächt sich gerade, dass SPD, Grüne und FDP nicht die Kraft hatten, ihre Prioritäten schon in den Koalitionsverhandlungen unzweideutig zu benennen. Dieser Webfehler führt dazu, dass jeder Minister sich und seine Projekte in den Haushaltsgesprächen als prioritär begreifen darf. Die Mittel im Energie- und Klimafonds sind dabei nur ein scheinbar üppiger Puffer. Sie schmelzen schon jetzt, unter anderem wegen des Nachschlags bei der KfW-Neubauförderung. Die Gefahr, sich zu verzetteln, besteht auch in Zeiten knapper Kassen.

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Von Henrike Roßbach

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