Bosnien-Herzegowina:Der langsame Zerfall eines Staates

Serben und nationalistische Kroaten arbeiten daran, Bosnien und Herzegowina aufzulösen. Der Westen sieht dabei zu.

Von Florian Hassel

Es wäre zu viel der Ehre für den bosnischen Serbenführer Milorad Dodik, würde man ihn als den einzigen Brandstifter im mühsam zusammengehaltenen Bosnien und Herzegowina bezeichnen. Auch nationalistische Kroaten sägen mit am fragilen Staat. Doch fraglos zündelt Dodik am konsequentesten. Seine rechtswidrige Leugnung der Autorität des Hohen Repräsentanten, seine illegale Annullierung von Gesetzen und jetzt seine Vorbereitung für eine eigene Armee und faktische Abspaltung der bosnischen Serben bedeuten schon jetzt einen gefährlichen Konflikt, möglicherweise auch wieder Krieg.

Wie die sogenannten Separatisten in der Ukraine führt Dodik nur die in Moskau geplante destruktive Politik Wladimir Putins aus. Wie an der Grenze zwischen Belarus und Polen, in der zersplitterten europäischen Gaspolitik oder der halbherzigen Unterstützung der Ukraine nutzt der Kreml-Herr die Schwachstellen Europas. Der jüngste Beschluss der bosnischen Serben, die faktische Spaltung von Bosnien und Herzegowina vorzubereiten, kam mit Sicherheit nicht ohne die Zustimmung oder gar Anregung Putins zustande, bei dem Dodik nur Tage zuvor zu Gast war.

Anders als in der Ukraine wäre es für den Westen zumindest in Bosnien vergleichsweise einfach, wenigstens die akute Bedrohung durch Dodik zu beenden. EU oder Nato müssten wieder Tausende Soldaten nach Bosnien schicken, dem Hohen Repräsentanten Christian Schmidt Handlungsvollmacht geben - und Dodik absetzen. Doch danach sieht es leider nicht aus: Washington und die zerstrittene EU führen trotz zahlreicher Alarmsignale die seit über einem Jahrzehnt geübte fatale Appeasement-Politik gegenüber Dodik und anderen Brandstiftern fort. Die neue Bundesregierung kann sich über einen Mangel an Krisen nicht beschweren; Bosnien steht nicht auf ihrer Prioritätenliste. Doch das dürfte sich, wenn der Zerfall Bosnien und Herzegowinas im Tempo der vergangenen Monate fortschreitet, schnell ändern.

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