Bosnien-Herzegowina:Kleiner Hoffungsschimmer

Bosnien-Herzegowina: Wählen in Bosnien-Herzegowina: Szene in einem Wahllokal in Sarajevo.

Wählen in Bosnien-Herzegowina: Szene in einem Wahllokal in Sarajevo.

(Foto: Amel Emric/IMAGO/ZUMA Wire)

Die Reformkräfte haben bei den Wahlen am Sonntag einige beachtliche Erfolge erzielt. Aber das reicht nicht.

Von Tobias Zick

Die Menschen in Bosnien-Herzegowina, die das ganze nationalistische Getöse, die Ideenlosigkeit und die Vetternwirtschaft ihrer alten Eliten satt haben, dürfen sich zumindest über ein laues Lüftchen freuen. Die Reformkräfte haben bei den Wahlen am Sonntag einige beachtliche Erfolge erzielt, allen voran: den Sieg des nicht nationalistischen Kandidaten Denis Bećirović für den bosniakischen Sitz im Staatspräsidium. Die Abfuhr für seinen Gegner, Bakir Izetbegović, war zahlenmäßig mehr als deutlich.

Der trockene Professor, der den nationalistischen Polit-Star in den Schatten stellt: Das zeigt, wie viel Frust sich zumindest unter den Wählern in diesem Landesteil, der bosniakisch-kroatischen Föderation, angestaut haben muss. Es genügte nicht, dass Izetbegović im Wahlkampf Unterstützung vom türkischen Präsidenten Erdoğan bekam, dass er mit dem Namen seines Vaters glänzen konnte, Alija Izetbegović, dem ersten Nachkriegspräsidenten und Gründer der "Partei der demokratischen Aktion" (SDA). Die Hilflosigkeit seines Wahlkampfes, der vor allem auf Angstmache und Diffamierung der nicht nationalistischen Reformkräfte setzte, war allzu offensichtlich.

Doch der große Befreiungsschlag waren die Wahlen deshalb noch lange nicht. Im Parlament der Föderation bleibt die SDA stärkste Kraft - und in der anderen Entität, der Republika Srpska, hat sich der moskautreue Separatist Milorad Dodik mal wieder durchgesetzt.

Die teilweise Unregierbarkeit des Landes, die vertieften ethnischen Spaltlinien: Das darf sich nicht zuletzt die internationale Gemeinschaft auf die Fahne schreiben, die das Nachkriegsland mit seiner provisorischen Dayton-Verfassung jahrelang sich selbst überlassen hat. Der heutige Hohe Repräsentant, Christian Schmidt, begibt sich auf dünnes Eis, indem er jetzt, ausgerechnet am Wahlabend, Verfassungs- und Wahlrechtsänderungen durchsetzt. Die mögen in der Sache überfällig sein. Doch gerade der Zeitpunkt birgt das Risiko, dass noch mehr Menschen das Vertrauen in jene internationalen Kräfte verlieren, die sie eigentlich vor den nationalistischen und korrupten Akteuren im eigenen Land beschützen sollen.

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