Großbritannien:In acht Wochen

Großbritannien: Slogans, Slogans, Slogans: Boris Johnson, Noch-Premierminister.

Slogans, Slogans, Slogans: Boris Johnson, Noch-Premierminister.

(Foto: Leon Neal/dpa)

Boris Johnson darf im Unterhaus noch ein Misstrauensvotum der Opposition überstehen.

Kommentar von Michael Neudecker

Wer Boris Johnson zum Parteichef gemacht hat, muss eine gewisse Lust am Dauerwahlkampf haben. Für einen Populisten wie ihn geht es nie um seriöses Regieren, sondern stets um Slogans, Slogans, Slogans. Es war zu erwarten, dass sich die britischen Konservativen in der Minute von Johnsons Rücktrittsrede in einen internen Wahlkampf stürzen, der bis 5. September dauert und bei dem man leicht vergessen kann, dass es hier nicht um Parlamentswahlen geht. Überraschend aber ist, dass Boris Johnson in der Zeit weitermachen darf.

Es ist nicht unüblich, dass ein Premier nach seinem Rücktritt "Caretaker" bleibt, bis ein Nachfolger feststeht. Auch Theresa May und David Cameron fungierten als Interimslösung für mehrere Wochen. Nur: Sie traten zurück, weil die Partei mit ihren politischen Entscheidungen unzufrieden war. Johnson muss gehen, weil die Partei ebenso wie eine in Umfragen gut dokumentierte Mehrheit im Land ihm nicht mehr vertraut. May und Cameron scheiterten am Brexit, Johnson scheitert an Sex- und Party-Skandalen.

Hinzu kommt, dass Johnson schon häufiger gezeigt hat, wie er mit dem Amt eines Premiers umgeht. Die Berufung des Milliardärs Evgeny Lebedev, Sohn eines KGB-Offiziers, ins Oberhaus ist nur eines von vielen Beispielen. Inzwischen wurde bekannt, dass er offenbar noch versucht, einen früheren Unterstützer in den Sicherheitsapparat zu hieven. Es hätte in Stellvertreter Dominic Raab eine naheliegende Zwischenlösung gegeben, die Tories aber lassen Johnson gewähren, weshalb die Opposition folgerichtig ein Misstrauensvotum im Parlament beantragt hat.

Der Antrag wurde zwar am Dienstagabend vom Unterhaus-Sprecher wie auch von der Regierung abgelehnt, weil ein Misstrauensvotum im Parlament üblicherweise gegen die Regierung als Ganzes gerichtet ist, nicht aber gegen den Premierminister persönlich. Der Versuch jedoch war dennoch wichtig für die Glaubwürdigkeit der Opposition: Schweigend zuzusehen ist keine Option bei Boris Johnson, nicht mehr.

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