MeinungPutins Sabotage:Härte, Härte, Härte. Etwas anderes respektiert Russland nicht

Kommentar von Jörg Schmitt

Lesezeit: 2 Min.

Die Bedeutung der Nachrichtendienste steigt in Zeiten einer europaweiten Bedrohung durch Sabotage und Spionage.
Die Bedeutung der Nachrichtendienste steigt in Zeiten einer europaweiten Bedrohung durch Sabotage und Spionage. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Zu wenig Personal, zu viel Datenschutz und ein Durcheinander der Befugnisse: Der deutsche Sicherheitsapparat ist auf die hybride Bedrohung der neuen Zeit nicht eingestellt. Das muss sich ändern.

Spätestens seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine kämpft Russland einen zweiten Krieg, einen hybriden Krieg gegen die westlichen Demokratien und ihre offenen Gesellschaften. Dieser Krieg wird nicht mit Bomben und Granaten geführt – und er könnte trotzdem schon jetzt Menschenleben kosten. Deutschland ist schon seit Längerem im Visier russischer Geheimdienst-Saboteure. Mit dieser Gewissheit muss das Land leben.

Tun weite Teile der deutschen Gesellschaft aber nicht. Sie sind in dieser neuen Realität bis heute nicht angekommen. Aus Angst, Ignoranz, aus Verdrängung, oder schlicht aus Russland-Verklärung in manchen Teilen der Bevölkerung.

An der mangelnden Bereitschaft, einen hybriden Krieg auch als „Krieg“ zu benennen, ist auch die Politik nicht ganz unschuldig. Vor allem Noch-Kanzler Olaf Scholz und Teile seiner SPD haben das Problem nie beim Namen genannt. Scholz habe zwar von der „Zeitenwende“ gesprochen, aber „die Dimension der Herausforderung nie wirklich wahrhaben wollen“, sagt etwa die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Das Gefühl, das der andere Teil der Bevölkerung hat, ist, der hybriden Bedrohung Russlands schutz- und hilflos ausgeliefert zu sein. Fast täglich werden Militärbasen und kritische Infrastruktur von Drohnen überflogen, ohne dass die Behörden eingreifen können. Russlands sogenannte Wegwerfagenten, also recht schnell akquirierte Kräfte nur für einzelne Aufgaben, verüben Brandanschläge. Und wenn man sie überhaupt zu fassen bekommt, werden sie wegen Sachbeschädigung und nur in den seltensten Fällen wegen geheimdienstlicher Tätigkeit verurteilt, weil sich die Spur zu Putins Nachrichtendiensten nicht gerichtsfest nachweisen lässt.

Ein nationaler Sicherheitsrat sollte ein tägliches Lagebild zeichnen

An dieser Stelle ist die künftige Regierung gefragt. Es wird allein nicht reichen, die Dienste personell und technisch zu stärken und ihren Austausch untereinander zu fördern, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. Wichtig ist es auch, Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Behörden, aber auch zwischen Ländern und Bund eindeutiger zu klären, um schneller handeln zu können. Ein nationaler Sicherheitsrat mit einem koordinierenden Sicherheitsberater, der ein tägliches Lagebild zu möglichen hybriden Attacken Moskaus erstellt, wäre ein großer Fortschritt. Auch Schwerpunktstaatsanwaltschaften könnten die Arbeit der Behörden erleichtern. Und auch über mehr Befugnisse der Dienste bei der Überwachung von Kommunikation muss man noch mal nachdenken, unter strengen gesetzlichen Vorgaben, versteht sich. Die neuen Spione und Saboteure werden allzu oft über Messengerdienste rekrutiert und über Mobiltelefone orchestriert. Die Politik muss Putin zeigen: Er hat mit uns kein leichtes Spiel.

Deutschland ist mit dieser neuen Realität nicht allein. Russlands hybride Bedrohung ist ein Problem der westlichen Demokratien insgesamt. Deshalb braucht es auch hier eine bessere Zusammenarbeit – beispielsweise zwischen den Nachrichtendiensten. Und es braucht einen europäischen Konsens, wie man mit Russlands hybrider Bedrohung umgeht. Europa kann da vor allem von Polen und den baltischen Ländern lernen, die schon seit Jahren vor Putins Machtfantasien warnen. In Polen etwa wurde zuletzt ein Mann wegen Sabotageverdacht zu acht Jahren Haft verurteilt, der, offensichtlich im Auftrag Moskaus, einen Brandanschlag auf ein Einkaufszentrum verüben wollte. Auch so funktioniert Abschreckung. Der litauische Außenminister Kęstutis Budrys gibt den Ton vor, wenn er sagt: „Härte ist die einzige Sprache, die Russland versteht.“

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