Süddeutsche Zeitung

Naher Osten:Biden fehlen die Partner

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Auch der neue US-Präsident wird sich um die Region kümmern müssen, ob er mag oder nicht. Das Problem: Er hat nur die Wahl zwischen einer schlechten und einer noch schlechteren Politik.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

US-Präsident Joe Biden will seine Außenpolitik auf die Konkurrenz mit China fokussieren. Diesen Schwenk weg von Europa und dem Nahen Osten hatte Barack Obama vorgezeichnet. Doch wie diesem und auch Donald Trump wird es Biden nicht gelingen, die USA der Krisenregion zwischen Levante und Hindukusch zu entwinden - zumindest, wenn es ihm um die Sicherheit Amerikas geht, und nicht um Wahltaktik, wie Trump.

Dieser wollte die US-Soldaten vor allem nach Hause holen, weil er sich davon Stimmen erhoffte. Biden zahlt jetzt den Preis für den überhasteten Teilrückzug aus dem Irak, aus Syrien oder Afghanistan und vier Jahre politische Geisterfahrt. Sein Vorgänger spielte Amerikas Gegnern in die Hände; Biden bleiben neben den schlechten nur noch schlechtere Optionen.

Teheran würde die Amerikaner gerne vertreiben

Es ist mehr als Propaganda, wenn in Iran der Oberste Führer Ali Chamenei den Niedergang der USA beschwört. Die tonangebenden Hardliner wollen die Amerikaner aus der Region vertreiben, 30 Jahre nach der im Golfkrieg gegen den Iraker Saddam Hussein begründeten Hegemonie Washingtons.

Teheran will eine geopolitische Neuordnung herbeizwingen. Mit seinem Netzwerk aus politisch-religiös verbündeten Milizen will das Regime seine Gegner in Schach halten, die sunnitischen Golfstaaten sowie Israel. Seine Mittel dazu sind permanente Nadelstiche und das Verursachen dauerhafter Instabilität. So fügen sich scheinbar unzusammenhängende Ereignisse in ein Bild: der Raketenangriff auf den Flughafen Erbil im Kurdengebiet des Irak, die Offensive der von Iran unterstützten Huthis in Jemen, die neue Eskalation im Atomstreit.

Lässt Biden die Attacke in Erbil unbeantwortet, werden weitere Angriffe folgen. Reagiert er militärisch, verschärft er den Konflikt. Zieht er die US-Truppen ab, fällt der Irak an Irans Vasallen. Das würde die Konflikte zwischen den Volks- und Religionsgruppen befeuern. Die Terrormiliz IS erstarkt ohnehin schon wieder.

Biden hat Saudi-Arabien die Unterstützung für den Krieg in Jemen gekündigt und die Huthis von der Terror-Liste gestrichen. Überfällig und richtig. Diese aber versuchen nun, eine ölreiche Provinz einzunehmen, und terrorisieren Saudi-Arabien mit Raketen. Das Leid der Menschen, oder gar Frieden, interessiert sie wenig.

Im Atomstreit strebt Biden zurück zum Wiener Abkommen, das Iran Zugang zu Öl-Milliarden verschaffen würde. Er macht Verhandlungen über Teherans Raketenprogramm und die Regionalpolitik zur Bedingung dafür. Teheran ist zwar bereit, seine Raketenpläne wieder zu bremsen. Vor allem aber will das Regime schnell wieder auf seine Einkünfte kommen - und sodann ungehindert seine Agenda verfolgen.

Ein umfassender Deal? Schön gedacht, mehr nicht

Vernachlässigt Biden die US-Sicherheitsgarantien für die Verbündeten im Nahen Osten, so würde das seine Glaubwürdigkeit auch im Pazifik erschüttern. Der Ausweg bestünde wohl nur in einem umfassenden Deal. Biden müsste Irans Sicherheits- und sonstigen Interessen ebenso berücksichtigen wie die der Golf-Araber und auch Israels. Allerdings fehlen dafür die Partner: In Teheran herrschen Kleptokraten und Ideologen, die ihr Volk mit dem Gewehr kontrollieren. In Riad sitzt ein greiser Monarch auf dem Thron, der kaum seinen impulsiven Sohn und Kronprinzen kaltstellen wird. Gut möglich also, dass sich Bidens Nachfolgerin oder Nachfolger dereinst in einer ähnlichen Lage wiederfindet wie jetzt er. Im Sinne von China und Russland wäre das ganz bestimmt.

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