Bettina Kudla:Ungehöriges Schweigen

Die Unionsfraktion muss auf die Unverschämtheit reagieren.

Von Robert Roßmann

Fraktionschefs haben ihre Abgeordneten nicht zu schurigeln. Schließlich sind die Abgeordneten die "Vertreter des ganzen Volkes" und - zumindest in der Verfassungstheorie - nur ihrem Gewissen unterworfen. Das beraubt Fraktionen jedoch nicht der Möglichkeit, sich von Parlamentariern zu distanzieren, die ausfällig werden. Und genau deshalb ist das Schweigen der Unionsfraktion zum Fall Bettina Kudla ungehörig.

Die Leipziger CDU-Abgeordnete hat den Journalisten Can Dündar als "Cansel Dünnschiss" beschimpft. Der ehemalige Chefredakteur von Cumhuriyet wird wegen eines kritischen Artikels verfolgt, er ist die Symbolfigur für den Niedergang der Pressefreiheit in der Türkei. Wenn die Union ihr Bekenntnis zu den Grundrechten ernst nimmt, muss sie Kudlas Ausfall verurteilen. Doch Fraktionschef Kauder will sich dazu nicht erklären, es gibt nur eine indirekte Reaktion seines parlamentarischen Geschäftsführers auf Twitter.

Das erinnert an den Fall Erika Steinbach. Aus Ärger über die Flüchtlingspolitik hatte die CDU-Abgeordnete Deutschland mit einer Diktatur verglichen. Aber die Union scheute die nötigen Konsequenzen - Steinbach sitzt immer noch im Vorstand der Fraktion. Wer jedoch um des lieben Friedens willen auf eine Auseinandersetzung mit Abgeordneten wie Steinbach und Kudla verzichtet, darf sich nicht wundern, wenn am Ende einige nicht mehr wissen, wofür die Unionsfraktion steht.

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