Süddeutsche Zeitung

Berlin:Ein Weiter-so

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Der Koalitionsvertrag verspricht wenig Neues. Das muss nicht unbedingt schlecht sein.

Kommentar von Jan Heidtmann, München

Exakt 152 Seiten hat der Koalitionsvertrag des künftigen Senats in Berlin. Er trägt einen recht sperrigen Titel, doch das Motto, das SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey bereits ausgegeben hatte, ist dafür sehr eingängig: "Ein Weiter-so darf es nicht geben." Anderthalb Monate harter Verhandlungen liegen zwischen diesem Arbeitsauftrag und der Vereinbarung, die SPD, Grüne und Linke nun am Montag im Berliner Abgeordnetenhaus präsentiert haben. Vorab lässt sich schon mal sagen: Die Gefahr eines "Weiter-so" besteht durchaus.

Giffey konnte in Berlin eine Ampel-Koalition nicht durchsetzen

Das liegt nicht nur daran, dass sich Giffey selbst innerhalb der SPD nicht mit ihrem Wunsch durchsetzen konnte, auch in Berlin eine Ampel-Koalition zu bilden. Stattdessen wird die Hauptstadt nun voraussichtlich von einem Bündnis aus SPD, Grünen und Linken regiert werden - so wie bereits in den vergangenen fünf Jahren. Die Gefahr des "Weiter-so" besteht auch, da nun alte Bruchlinien mit neuen Kompromissen gelöst werden sollen. In der Verkehrspolitik zum Beispiel, wo wieder nicht das Notwendige getan und der Autoverkehr drastisch beschnitten wird. Oder bei der Frage der Enteignung von großen Wohnungsbaugesellschaften. Eine Expertenkommission soll nun Lösungen erarbeiten, verlagert aber dabei den Konflikt zwischen SPD und den Linken nur ein paar Monate in die Zukunft. Ein Aufbruch liest sich anders als dieser Koalitionsvertrag - der Ausdruck eines zähen Kompromisses ist.

Ob dieser Senat dennoch erfolgreich sein kann, wird sehr von seinen Protagonisten abhängen. Darunter vor allem von den beiden starken Frauen dieser Regierung, Franziska Giffey und Bettina Jarasch von den Grünen, sowie von Kultursenator Klaus Lederer und seiner Parteichefin von den Linken, Katina Schubert. Denn in einigen Bereichen hat das Linksbündnis Berlin auch gut getan und neue Impulse gesetzt. Gelingt es dem Senat daran anzuknüpfen, ist ein "Weiter-so" nicht zwangsläufig ein Makel.

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