Belarus:Lukaschenkos Gegner können sich nirgends sicher fühlen

Belarus: Dem Blogger und Aktivisten Roman Protassewitsch drohen nach seiner Festnahme in Minsk mehr als zwölf Jahre Gefängnis.

Dem Blogger und Aktivisten Roman Protassewitsch drohen nach seiner Festnahme in Minsk mehr als zwölf Jahre Gefängnis.

(Foto: STR/AFP)

Der Diktator demonstriert mit der Flugzeugentführung seine Macht. Damit könnte er auch für die Europäische Union zu einer Gefahr werden.

Kommentar von Silke Bigalke

Jetzt hat der belarussische Diktator auch noch ein Flugzeug vom Himmel geholt. Alexander Lukaschenko hat die Ryanair-Maschine mithilfe eines Kampfjets abgefangen und zur Landung gezwungen. Die Passagiere, die eigentlich nur von einem EU-Land ins andere fliegen wollten, wurden nach Minsk entführt und dort stundenlang festgehalten. Diese neue Grenzüberschreitung zeigt, wie gefährlich Lukaschenko Europa noch werden kann. Egal wie die EU nun darauf reagieren wird - aus Sicht von Alexander Lukaschenko war sein Raubzug bereits ein Erfolg.

Er hat dadurch nicht nur einen weiteren Regimekritiker in seine Gewalt gebracht. An Bord der Maschine saß der Blogger und Aktivist Roman Protassewitsch, ihm drohen nun mehr als zwölf Jahre Gefängnis. In Belarus haben Oppositionelle häufig nur eine Wahl zwischen Gefängnis und Exil. Durch seine Flugzeugentführung sendet Lukaschenko ein Signal an alle Geflohenen: Sie sollen sich nirgendwo sicher fühlen dürfen, keiner von ihnen. Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja soll nur kurz vor der Ryanair-Zwangslandung dieselbe Strecke von Athen nach Vilnius geflogen sein, schreiben belarussische Medien.

Die Entführung von Flug FR4978 war damit schließlich auch eine Machtdemonstration. Sie zeigt erstens die Reichweite des belarussischen Geheimdienstes KGB, der Protassewitsch offenbar bereits in Griechenland beschattet hat. Von dort wollte der im Exil lebende Blogger nach Litauen fliegen. Zudem beweist der belarussische Machthaber, dass das Militär weiterhin hinter ihm steht. Das Verteidigungsministerium schickte einen Kampfjet, um Lukaschenkos irren Befehl auszuführen.

Der 66-jährige Langzeitherrscher hält sich nur noch mit Gewalt an der Macht, seit im vergangenen Sommer Massenproteste gegen seine Herrschaft losbrachen. Mithilfe von Polizei, Geheimdienst, Militär und mit Unterstützung des Kremls in Moskau hat Lukaschenko die Proteste gewaltsam niedergeschlagen. Tausende friedliche Demonstrierende wurden gefoltert, führende Oppositionelle eingesperrt oder ins Ausland vertrieben. Gegen unabhängige Medien läuft bis heute eine beispiellose Verfolgungswelle. Lukaschenkos Strategie ist es, die Bevölkerung in ständiger Angst zu halten.

Eine Mehrheit in Belarus ist gegen Lukaschenko

Denn spätestens seit dem vergangenem Sommer, den gefälschten Wahlen und der beispiellosen Gewalt ist eine Mehrheit in Belarus gegen Lukaschenko. Damals haben Hunderttausende den Machthaber als Greis verspottet, der den Blick für die Realität verliert. Inzwischen riskiert jeder, der öffentlich protestiert, seine Freiheit, seinen Job, seine Unversehrtheit. Dass es heute derart ruhig ist auf Belarus' Straßen, liegt am enormen Druck, den der Sicherheitsapparat auf die Bevölkerung ausübt. Nun hat Lukaschenko auch noch gezeigt, dass er die Macht besitzt, irische Passagierflugzeuge aus der Luft abzufangen.

Lukaschenko hat sein Schicksal längst in die Hände von Militär und Sonderdiensten gelegt. Die werden einen Machtwechsel mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Andernfalls könnten sie für ihre Menschenrechtsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Die Reaktionen der EU auf die Flugzeugentführung sind dem Regime, das um das eigene Überleben kämpft, deshalb relativ egal.

Interessanter sind für Lukaschenko wahrscheinlich die Reaktionen aus Moskau. Der Machthaber in Minsk hat die Proteste in Belarus stets als vom Westen inszenierten Putschversuch dargestellt. Oppositionelle wie Roman Protassewitsch gelten in Minsk - genauso wie in Moskau - als vom Ausland gesteuerte Feinde. Der Kreml wollte die Ryanair-Landung bisher zwar nicht kommentieren, die Chefredakteurin des kremltreuen Senders RT schrieb jedoch auf Twitter, sie sei neidisch auf Belarus, weil Lukaschenko die Sache so gut gedeichselt habe. Das ist auch für die russische Opposition kein gutes Zeichen.

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