Belarus:Lukaschenko hat sich in die Hände Putins begeben

Belarus: Präsident Alexander Lukaschenko

Von Putin gesteuert: der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko.

(Foto: Maxim Guchek/AP)

Natürlich muss sich die EU gegen die perfide Schleuser-Provokation wehren. Aber das Problem geht weit über Belarus hinaus und zwingt die neue Bundesregierung, sich zu positionieren.

Kommentar von Stefan Kornelius

Sanktionen haben in der Regel eine doppelte Wirkung: Sie bestrafen einen Übeltäter, und sie befrieden im Inneren das Bedürfnis nach Härte und Vergeltung. In der belarussischen Schlepper-Provokation sind Sanktionen also zwingend notwendig, allein schon, um den politischen Frieden in der EU zu wahren und das eigentliche Ziel dieses hybriden Angriffs abzuwehren: die Destabilisierung und Spaltung der EU und Deutschlands - des eigentlichen Ziels der Migranten.

Belarus und sein Machthaber Alexander Lukaschenko sind bereits Gegenstand von vier Sanktionsrunden der EU geworden. Vom Diktator selbst über seine engsten Mitarbeiter bis hin zum Sicherheitsapparat wurden Strafen in allen Geschmacksrichtungen verhängt. Sanktioniert wurde vor allem die Kaliindustrie als wichtigste Einnahmequelle des Landes. Die staatliche Fluglinie ist vom westlichen Markt abgeschnitten, 166 Einzelpersonen und 15 Firmen sind betroffen. Das aber reicht bei Weitem nicht aus.

Nun sollte die EU schleunigst das gierige Flugzeug-Leasinggeschäft vor allem irischer Luftverkehrsinvestoren lahmlegen, selbst wenn dabei einige Maschinen verloren gehen. Das irische Steuersparmodell passt zur Skrupellosigkeit, mit der diese Firmen ihre Maschinen zum Zweck des Menschenhandels verleihen. Wer schlau ist, beordert seine Piloten jetzt zu Wartungsarbeiten in westliche Werften, ehe die Flugzeuge auf dem Rollfeld in Minsk an die Kette gelegt werden. Auch sollte ernsthaft überprüft werden, Belarus und ganz speziell seine Versicherungswirtschaft von den Geldmärkten fernzuhalten.

Lukaschenko ist nur ausführendes Organ, nicht Drahtzieher des hybriden Angriffs

Aber auch das fünfte Sanktionspaket der EU wird Lukaschenko nicht von seinem zynischen Geschäft abhalten. Der Mann ist selbst nur ausführendes Organ, nicht Drahtzieher dieses hybriden Angriffs. Mit der Niederschlagung der Demokratiebewegung hat sich der Diktator vollends in die Hände des russischen Präsidenten begeben, der nun seinen Tribut fordert.

Die zynische Schleuseridee passt nicht so recht zum bäuerlichen Langzeitdiktator in Minsk, der ja befürchten muss, dass ihm Tausende Menschen aus seiner Erpressungsfracht für lange Zeit im eigenen Land erhalten bleiben. Vielmehr spiegelt sich auch im Migranten-Transport die umfassende Destabilisierungskampagne Russlands, die mit Cyberangriffen nicht begonnen hat und mit dem Gaspoker nicht enden wird. Ziel dieser Kampagne ist Deutschland, weil das Land so wunderbar gespalten ist in seiner Sicht auf Putin. Der Regierungswechsel hin zur (in Russland-Fragen) zerrissenen SPD und die Lähmung durch die mehrwöchige Regierungsbildung laden geradezu ein zur Neuvermessung der Möglichkeiten.

Wer das Problem substantiell lösen will, muss die Wurzeln erkennen: das europäische Einwanderungschaos und die deutsche Asylpolitik, die Hunderttausenden auf der Welt Hoffnung verspricht. So sehr diese liberale Offenheit Deutschland ehrt und adelt, so sehr lädt sie auch zum Missbrauch ein. Erdoğan, Orbán, nun Putin nutzen diese Offenheit für ihre Erpressungen aus. Eine restriktivere Migrationspolitik kann die neue Bundesregierung nicht durchsetzen, sie würde die Koalition zerstören, ehe sie überhaupt geschlossen ist. Sie kann aber auch nicht den Eindruck erwecken, dass sie sich aus ihrer politischen Gefangenschaft per Tribut an Ankara oder Minsk freikauft. Die Regierungsparteien werden das erwägen - die Probleme sind schneller.

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