Aktuelles Lexikon:Baumblütenfest

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22.04.2023, Brandenburg, Werder: Ein als Bacchus verkleideter Teilnehmer. Nach dreijähriger Pause wegen Corona findet das Fest wieder statt. (Foto: Michael Bahlo/dpa)

Poetischer Name für ein Traditionsvergnügen, bei dem der gute alte Obstwein kräftig fließt und ebenso wirkt

Von Jens Schneider

Wenn im Frühjahr die Obstbäume blühen, beginnt in Werder bei Potsdam ein Volksfest mit großer Tradition, das weit über Brandenburg hinaus vor allem in Ostdeutschland legendär ist, manche würden sagen berüchtigt. 50 Wochen im Jahr ist Werder ein stilles Kleinod im Speckgürtel des Berliner Großraums, dessen historisches Zentrum mit alten Fischerhäusern auf einer Insel in der Havel liegt. Lange schon ist Werder an der Havel der Obstgarten für die Hauptstadt, einst wurde am frühen Morgen die Ernte frisch von der Insel nach Berlin verschifft. Fontane schwärmt von diesem Angebot in seinen Wanderungen durch die Mark. Seit 1879 wird in der Stadt ein Fest gefeiert, bei dem Obstwein von vielerlei Sorten an Ständen und in den Gärten angeboten wird, auch Birne, Johannisbeere oder Quitte. Die Obstweine sind aber auch berüchtigt dafür, schnell heftig zu wirken. Schon aus den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts gibt es amüsante Filme über Ausflüge der Berliner zum Fest, die mindestens beschwipst die Heimreise antraten. Auch zu DDR-Zeiten hatte die fast zweiwöchige Sause einen einschlägigen Ruf. Sie wuchs dann bis zur Corona-Pandemie zu einem der größten Volksfeste des Landes an, das die Kleinstadt an den Wochenenden in einen Ausnahmezustand versetzte, und das manche vor allem fröhlich, andere zu derb fanden, spätestens wenn Gäste zu viel Obstwein hatten.

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Es war ein Fest mit vielen Bühnen, auf denen oft Veteranen des Pop sangen, gewaltigen Fahrgeschäften an der Havel und einem großen Polizeiaufgebot, das zu viel zu tun hatte. Nach drei Jahren Pause wegen Corona wird nun wieder gefeiert, ein Riesenrad überragt wieder die Insel. Das 144. Fest ist aber bewusst kleiner angelegt, nicht wie früher als Massenveranstaltung, wie die Stadt betont, mit "Brandenburger Streetfood", aber ohne großen Rummel. Es gibt nur eine große Bühne und Obstwein, Kuchen oder Bratwurst bevorzugt unter Bäumen in Gärten und auf den Plantagen.

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