Armut in Deutschland:Die Miesmacher

Armut in Deutschland: Einkommen und Vermögen sind in Deutschland ungleich verteilt.

Einkommen und Vermögen sind in Deutschland ungleich verteilt.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Der Paritätische Gesamtverband sieht die Armut auf einem "neuen Höchststand". Man kann die Zahlen aber auch ganz anders lesen - als Erfolgsgeschichte.

Kommentar von Roland Preuß

Wer am Donnerstag zuhörte, wie Ulrich Schneider seinen "Armutsbericht" vorstellte, der fand sich in einer finsteren Welt wieder. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands malte Deutschland als ein Land, in dem Geringverdiener und Hartz-IV-Empfänger mehr denn je im pandemischen Elend feststecken, während Gutverdiener vergleichsweise entspannt durch die Corona-Krise spazieren. Die Armut in Deutschland ist demnach auf einem "neuen Höchststand", ein "trauriger Rekord" erreicht, und die regionalen Armutsunterschiede sind so groß, dass man ein tief gespaltenes Land vor sich sieht. Es ist ein Bild, das mit sehr grobem Pinsel gefertigt ist. Das entspricht nicht der persönlichen Erfahrung aus der Pandemie? Damit liegt man womöglich richtig.

Tatsächlich sollte man Deutschlands sozialpolitischen Weg durch die Corona-Krise als Erfolgsgeschichte erzählen. Dafür, dass man es mit der schwersten Pandemie seit 100 Jahren zu tun hat, mit einem Einbruch in Industrie, Gewerbe, bei Dienstleistern und an der Börse, sind die Auswirkungen auf Beschäftigte und Arbeitslose insgesamt bemerkenswert gering ausgefallen, auch wenn es natürlich viele Menschen hart getroffen hat.

Bei den sozialen Hilfen hat die Politik viel richtig gemacht

Und das hat durchaus etwas mit der Politik zu tun. Das Kurzarbeitergeld hat Millionen Beschäftigte aufgefangen und ihre Stellen gesichert, ebenso haben das die Staatszuschüsse an Tausende Betriebe. Der einfachere Zugang zur Grundsicherung hat Kunstschaffenden und Selbständigen ein Netz gewoben, Hilfen wie der Kinderbonus sind auch Hartz-IV-Empfängern zugutegekommen. Und, nicht zu vergessen: die gesenkte Mehrwertsteuer, davon haben vor allem Menschen mit wenig Geld profitiert.

Die Bundesregierung mag einiges falsch gemacht haben in der Pandemie; auf dem Arbeitsmarkt und bei den sozialen Hilfen aber hat sie vieles richtig gemacht. Sie hat so viel Geld in die Hand genommen, dass einem schwindlig werden konnte, zig Milliarden. Damit verhinderte die große Koalition viele Abstürze.

Auch Ulrich Schneider räumt ein, dass die Politik viele Menschen aufgefangen hat, die Hauptbotschaft jedoch ist: soziale Spaltung. Er macht das fest an einem Anstieg der sogenannten Armutsquote um gerade einmal 0,2 Prozentpunkte. Das wäre nach einem derartigen Flächenbrand eher Anlass zu jubeln, als neue Negativrekorde herauszustellen.

Ohne das beherzte Eingreifen sähe es richtig düster aus

Und selbst diesen Rekord darf man mit einem Fragezeichen versehen. Wo der Paritätische Gesamtverband von "Armut" spricht, schreiben andere Fachleute von "Armutsgefährdung". Ob die Gefahr besteht, in Armut abzurutschen, oder ob man schon mittendrin steckt, ist aber ein deutlicher Unterschied.

Die Erkenntnisse dieses Armutsberichts stehen auch im Widerspruch zur Botschaft anderer Forscher, die festgestellt haben, dass die Ungleichheit in Deutschland in der Corona-Zeit sogar abgenommen hat. Mehr noch: dass sich der Anteil derjenigen , die sich Grundlegendes wie Miete, Heizung und warme Mahlzeiten nicht leisten können, seit dem Jahr 2008 halbiert hat.

Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Einkommen und Vermögen ungleich verteilt sind und dass dies ein großes Problem darstellt. Eines, das nicht durch eine andere Politik, vor allem andere Steuern, angegangen wird, auch nicht unter der Ampel-Koalition. Das aber darf nicht dazu führen, ein Zerrbild zu zeichnen und die Erfolge der Politik in der Pandemie kleinzureden. Denn ohne die wäre das Bild tatsächlich sehr düster.

Zur SZ-Startseite
Tiny House

SZ PlusWohnen
:Der Traum von der Tiny-House-Siedlung

Eigentlich könnte das Tiny House von Christiane Haas überall stehen. Doch sie träumt von einer Siedlung mit Minihäusern im Landkreis Starnberg. Jetzt muss sie nur noch die Behörden überzeugen. Leichter gesagt, als getan.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: