Süddeutsche Zeitung

Wahlkampf:Laschet droht eine Falle, die er selbst gestellt hat

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Der Kanzlerkandidat behauptet gerne, wer NRW regieren könne, sei auch für den Bund vorbereitet. Angesichts der Enttäuschung von Flutopfern gilt aber auch der Umkehrschluss: Wer nicht, der nicht.

Kommentar von Nico Fried

Armin Laschet hat am Montag in Swisttal gesagt, er sei in die von der Flut hart getroffene Gemeinde in der Nähe von Bonn gekommen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Aber natürlich ist er auch gekommen, um andere ein paar Bilder von sich machen zu lassen. Der Ministerpräsident als Krisenmanager, der Kanzlerkandidat als Kümmerer. Doch an solche Szenen, wie sie die Kameras diesmal einfingen, dürfte Laschet dabei nicht gedacht haben: enttäuschte Bürger, die ihm Versagen vorwerfen; Hilfsbedürftige, die noch immer auf Hilfe warten.

Wenn das so weitergeht, kann sich Armin Laschets wichtigstes Argument für Armin Laschet schnell gegen ihn drehen. Seitdem er sich um die Kanzlerschaft bemüht, hat der CDU-Chef sein Ministerpräsidentenamt stets wie die natürliche letzte Vorstufe für das Regieren in Berlin beschrieben: Nordrhein-Westfalen als Bundesrepublik im Kleinformat, Industrieland, Strukturwandel, Umweltschutz. Wer das bevölkerungsreichste Bundesland politisch führen könne, bringe auch die Voraussetzungen für die Republik als Ganzes mit. Diesem Argument wollte sich vor einem Jahr bei einem Besuch in Düsseldorf nicht einmal die Bundeskanzlerin verschließen, die ansonsten bisher wenig Leidenschaft für den Kandidaten ihrer Partei entwickelt hat.

Für die Lage in den Flutgebieten steht zuvorderst Armin Laschet in der Verantwortung

Bekäme Laschet nun die Folgen der Flut und die Unterstützung für die Opfer nicht in den Griff, würde das nicht nur - und in erster Linie - den Betroffenen schaden. Der Kanzlerkandidat ginge zudem in die Falle seiner eigenen politischen Logik: Wer Nordrhein-Westfalen regieren kann, kann auch den Bund regieren - wenn das stimmt, gilt auch: Wer nicht, der nicht. Laschets vermeintlich stärkster Punkt würde zu seiner empfindlichsten Schwachstelle. Als Nachfolger der Krisen-Kanzlerin ein Krisen-Dilettant, diese Wahrnehmung kann Laschet politisch Kopf und Kragen kosten.

Wann die Unterstützung ankommt und wie effektiv sie den Menschen in ein normales Leben zurück hilft, diese Fragen werden Laschet nun genauso auf Schritt und Tritt begleiten wie der Journalistentross, der über die Fortschritte Buch führt. Es wäre gewiss nicht fair, die Leistung der Düsseldorfer Landesregierung in dieser extrem fordernden Situation allein aufgrund der Unzufriedenheit einzelner Betroffener an einem Ort zu beurteilen. Am Dienstag nahm der Ministerpräsident für sich in Anspruch, dass bereits mehr als 200 Millionen Euro ausbezahlt worden seien.

Aber nicht einmal Laschet selbst macht den Eindruck, als habe er grenzenloses Vertrauen in den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten. Die Idee, den Wiederaufbau über einen Fonds des Bundes zu einer nationalen Aufgabe zu machen, ist zwar nachvollziehbar. Aber sie wirkt auch wie der dritte Schritt vor dem ersten und wie ein Versuch, andere in die Zuständigkeit einzubeziehen, die erst einmal allein bei ihm liegt.

Auch wenn die Flut-Hilfen des Bundes schneller kommen sollten als manche Unterstützung in der Corona-Krise, was man den Betroffenen nur wünschen kann: Verteilen müssen sie die Behörden am Ort. Für die aktuelle Lage in den Flutgebieten Nordrhein-Westfalens steht deshalb Laschet an erster Stelle in der Verantwortung. Jeder Euro, den er schnell nach Swisttal und in andere überschwemmte Gemeinden bringt, ist für die Menschen fast genau so viel wert wie die Millionen, die er in Berlin irgendwann aufzutreiben gedenkt. Und für ihn auch.

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