Annalena Baerbock:Neuanfang auf großer Bühne

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Außenminister im Gespräch: Annalena Baerbock mit ihren Kollegen Augusto Santos Silva aus Portugal (links) und Anže Logar aus Slowenien in Brüssel. (Foto: Virginia Mayo/AP)

Außenministerin Annalena Baerbock stürzt sich in die Arbeit - und jedes ihrer Worte wird national und international genau registriert. Das muss nicht schlecht sein.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Annalena Baerbock hat in ihren ersten Tagen als Bundesaußenministerin mehr als 30 ihrer Kollegen getroffen, unter ihnen die Ressortchefs aus den USA, Großbritannien und Frankreich sowie aller anderen EU-Staaten. Bei ihren Antrittsbesuchen, der Teilnahme am G-7-Ministertreffen und am EU-Außenrat hat sie sich einen Eindruck über den Diskussionsstand verschafft. Diesen Kaltstart mit minimaler Vorlaufzeit hat ihr der über Monate geplante internationale Kalender beschert. Sie hat verstanden, ihn zu nutzen. Es gibt großes Interesse an der Position der neuen Bundesregierung und ihrer Person.

Sie hat vor allem zugehört in den ersten Tagen. Selbst die öffentliche Belehrung durch ihren polnischen Kollegen Zbigniew Rau hat Baerbock pariert. Dass sie angesichts der vollen Agenda in Liverpool manche Punkte vom Zettel liest, ist gebotene Vorsicht. Jetzt ist eben alles, was sie in eine Kamera spricht, Regierungspolitik. Wenn sie warnt, dass die Zeit für eine Einigung im Atomstreit mit Iran ausläuft, wird das in Teheran registriert. Sagt sie zur umstrittenen russischen Erdgaspipeline Nord Stream 2, diese könne "nach jetzigem Stand so nicht genehmigt werden", horcht die Welt auf. Manchmal wirkt sie noch ein wenig überrascht, welche Wirkung ihre Worte entfalten, etwa wenn sie nicht explizit sagt, dass sie nur den Stand des Zertifizierungsverfahrens wiedergibt.

Politik muss vorausschauender und kooperativer werden - das hat diese Ministerin verstanden

Wo sie freier reden kann, lässt sie erkennen, dass sie eingestiegen ist in die Großthemen - und Interesse und Spaß daran hat. Nicht jeder ihrer Vorgänger im Amt hat das immer mit jeder Faser seines Körpers ausgestrahlt. Sie setzt erste Akzente, will Klimawandel und Sicherheitspolitik enger verknüpfen. Wer das als Öko-Spinnerei abtut, sollte sich die ersten außenpolitischen Grundsatzentscheidungen von US-Präsident Joe Biden in Erinnerung rufen.

Außenpolitik stärker vorausschauend und eng abgestimmt mit den Partnern zu betreiben, ist eine der Lehren aus der Corona-Pandemie. Obwohl bei der Weltgesundheitsorganisation solche Szenarien seit Jahren durchgespielt und als sehr wahrscheinlich betrachtet wurden, schlitterte die Welt unvorbereitet in die Krise. Die improvisierten und unkoordinierten Reaktionen von Regierungen haben die Lage oft nicht besser gemacht. Abrüstung und Rüstungskontrolle, sei es bei den Atom-Arsenalen oder autonomen Waffensystemen, sind mühsam, aber dringend notwendig, um die Sicherheitsarchitektur in Europa zu stabilisieren und künftige Konflikte einzuhegen.

Auch eine grüne Außenministerin braucht Flugzeuge. Die Welt hat größere Probleme

Ob Baerbock Erfolg haben wird, lässt sich noch gar nicht bewerten. Es wird maßgeblich auf gute Zusammenarbeit mit Kanzler Olaf Scholz ankommen, die man einander im Koalitionsvertrag mit einer Außenpolitik "aus einem Guss" ja versprochen hat. Auffällig ist, dass die beiden sich abstimmen, während sich Nichtsgewordene wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und der Grüne Omid Nouripour quasi als Nebenkanzler und -außenminister in Interviews streiten.

Konflikte wird es irgendwann geben, aber auch die Möglichkeit, etwa beim Thema Menschenrechte mit verteilten Rollen zu spielen. Im Zweifel ist die Hackordnung klar. Einer guten deutschen Außenpolitik jedoch steht sicher nicht entgegen, dass auch eine grüne Ministerin für ihren Job auf das Flugzeug angewiesen ist oder Frau Baerbock ein Foto vor dem Eiffelturm von sich hat machen lassen.

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