Buchmarkt:Das Märchen vom kostenlosen Kinderbuch

Buchmarkt: Amazon bringt im eigenen Verlag ein Märchenbuch heraus. Mit dabei: elf Märchen der Gebrüder Grimm.

Amazon bringt im eigenen Verlag ein Märchenbuch heraus. Mit dabei: elf Märchen der Gebrüder Grimm.

(Foto: imago stock)

Amazon produziert ein Märchenbuch und will es mit Thalia und Hugendubel eine Million mal verteilen. Uneigennützig ist das nicht.

Kommentar von Carolin Gasteiger

Für die lieben, armen Kinder. Auf dieses moralische Mantra verlässt sich Amazon wohl mit seiner jüngsten Aktion. Zum Weltkindertag am 20. September will der Onlinehändler zusammen mit der Stiftung Lesen ein kostenloses Märchenbuch eine Million Mal unters Volk bringen. Produziert wird es im Amazon-eigenen Verlag "Tinte und Feder", mit elf Märchen der Brüder Grimm und fünf neuen Geschichten. Mit dabei ist etwa Iny Lorentz ("Die Wanderhure"). "Wir möchten, dass Lesen einen Platz im Alltag aller Menschen findet und behält", sagt Jörg F. Maas, der Geschäftsführer der Stiftung Lesen. Das Geschenk solle Familien erreichen, bei denen Lesen noch nicht fester Bestandteil des Alltags sei.

Die Verteilaktion der Großen ist ein Affront gegen kleine Buchhändler und Bibliotheken

Ein hehres Ziel, aber wie immer bei Amazon muss man genauer hinschauen. Der Internetgigant stiftet zwar Bücher, macht dabei aber auch Werbung für den eigenen Verlag und übernimmt die digitale Distribution, was gerade junge Kunden an die eigene Plattform bindet. Damit es nicht nach einer totalen Monopol-Aktion aussieht, sollen die gedruckten Exemplare in den Filialen der Buchhandelsketten Thalia und Hugendubel verteilt werden. Alle drei Unternehmen sitzen bei der Stiftung Lesen im Stifterrat - es wirkt wie eine unheilige Allianz der Großbuchhändler, die alle Lorbeeren der Leseförderung für sich behalten wollen und gerade kleinere Buchhandlungen ausschließen, in denen Kinder vielleicht noch durch persönliche Beratung an das Märchenlesen herangeführt werden. Die Verteilaktion der drei Großen ohne Aufsicht oder Anleitung ist außerdem ein Affront gegen all die Bibliotheken, die versuchen, Lese- und Vorleseaktionen sowie Thementage zu organisieren, um Kinder auf kreative und individuelle Weise für das Lesen zu begeistern.

Klar ist vor allem, dass Aktionen für Kinder nicht dazu dienen sollten, von aggressivem Verhalten im Buchmarkt abzulenken - da sind Amazon, Thalia und Hugendubel alle nicht unschuldig. Besonders Amazon hat noch viel zu tun, um die Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeiter zu verbessern, seine Marktmacht nicht unfair zu nutzen und endlich mal dort Steuern zu zahlen, wo der Umsatz anfällt. Dann glaubt man auch das Engagement für die lieben, armen Kinder.

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