Serbien:Die Republik Vučić

Serbien: Hat er gewonnen? Nach eigener Darstellung: ja. Aleksandar Vučić, 52, am Sonntagabend in Belgrad.

Hat er gewonnen? Nach eigener Darstellung: ja. Aleksandar Vučić, 52, am Sonntagabend in Belgrad.

(Foto: Darko Vojinovic/AP)

Auch in Belgrad sichert sich der Amtsinhaber die Wiederwahl - unter anderem dank Medien, die über ihn viel, über seine Gegner kaum berichten.

Kommentar von Tobias Zick

Wie er seine eigene Position in diesem Staatsgebilde sieht? Dafür lieferte Aleksandar Vučić am Sonntagabend eine hübsche Veranschaulichung. Die staatliche Wahlkommission hatte mitgeteilt, dass sie erst am Montag erste offizielle Ergebnisse der Präsidentschafts- und Parlamentswahl bekannt geben werde. Dies war für den Amtsinhaber kein Grund zu warten: So verkündete er seinen Wahlsieg halt gleich selbst.

Unter Berufung auf Hochrechnungen, die seine eigene Partei erstellt hatte, gab er also bekannt, dass diese genug Stimmen erzielt habe, um eine Regierung zusammen mit der Partei der ungarischen Minderheit bilden zu können. Und er selbst habe bei der Präsidentenwahl 59,9 Prozent erzielt - ein Ergebnis haarscharf unterhalb der 60-Prozent-Schwelle also, die er im Vorhinein als Grenze zum Misserfolg bezeichnet hatte. Und so gab er sich für seine Verhältnisse durchaus staatsmännisch-nachdenklich: Die "Krise in der Ukraine" habe Serbien "dramatisch nach rechts" bewegt, sagte er mit Blick auf einige kleinere Parteien, die den Einzug ins Parlament geschafft haben. Seine eigene "Serbische Fortschrittspartei" (SNS) werde diesem Trend jedoch widerstehen. Die Wahlkommission erklärte ihn am Montag sodann auch zum Sieger, wenn auch mit gut einem Prozentpunkt weniger.

Die Kontrahenten kamen in den Medien nur als Problembringer vor

Vučić, der Fels mitten im aufgepeitschten Weltgeschehen; der Verteidiger der bürgerlichen Mitte gegen extremistische Tendenzen? Die Tatsache, dass er mit dieser Selbstdarstellung durchkommt, verrät schon einiges über den Zustand der serbischen Demokratie. Vučićs behaupteter Wahlerfolg gründet sich auch darauf, dass die Opposition sich wenig Gehör verschaffen konnte: Sowohl im Staatsfernsehen als auch in den zahlreichen regierungsnahen Privatmedien war Vučić mit seinen Wohltäter-Botschaften allgegenwärtig; die Herausforderer kamen, wenn überhaupt, als Problembringer vor. Und der Unmut, der sich im Volk durchaus rührte, etwa über die Umweltzerstörung durch den von der Regierung vorangetriebenen Lithium-Bergbau, wurde dann weitgehend eingedämmt von der Verunsicherung, die der Ukraine-Krieg auslöste. Der Wahlspruch "Freiheit. Stabilität. Vučić." wirkte wie ein dickes Wattepaket, das alle lauten Kontroversen erstickte.

Die Europäer dürfen sich nun darauf einstellen, dass die traditionelle serbische Schaukelpolitik weitergeht: zwischen den westlichen Gesprächspartnern in Washington und Brüssel einerseits und den östlichen in Moskau und Peking andererseits. Zwar gibt es Gründe zur Annahme, dass Belgrad sich aus wirtschaftlichen Erwägungen in Zukunft etwas mehr als bisher von Moskau distanzieren könnte. Doch zu einem Verfechter westlicher Werte, der sein Land aus Überzeugung in die Arme der Europäischen Union führen würde, macht Vučić dies noch lange nicht.

Beklagen sollten sich die Europäer darüber nicht allzu laut. Dem Abbau demokratischer Standards, der laut der Organisation "Freedom House" Serbien zu einem nur noch "teilweise freien" Staat gemacht hat, haben sie lange zugeschaut; die Geschichte von Vučić als vermeintlichem Garanten für Stabilität auf dem notorisch instabilen Balkan war aus Berliner und Brüsseler Sicht ja auch allzu bequem. Um ernsthaft Chancen auf einen EU-Beitritt zu haben, müsste das Land die Schwächen von Demokratie und Rechtsstaat beheben. Für Vučić selbst aber, für seinen Machterhalt, sind diese viel zu nützlich.

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