Aktuelles Lexikon:Vergeigen

Ein Ausdruck, der ein musikalisches Missgeschick beschreibt, aber auch ein Fußballspiel kurz und knapp umreißen kann.

Von Joachim Käppner

Vielleicht sind die Linguisten die einzige Gruppe im Land, die dem Fußballabend am Donnerstag im Wüstenstaat Katar etwas abzugewinnen vermochten. Das eigene Ausscheiden nämlich kommentierten die deutschen Fußball-Nationalspieler seltener mit dem näher liegenden Begriff, sie hätten die Weltmeisterschaft in den Sand gesetzt, sondern mit dem schönen alten Wort, man habe das Turnier vergeigt. Wörtlich bedeutet dies, dass sich ein Geiger auf seinem Instrument verspielt, was bekanntlich einen garstigen, ja das Ohr quälenden Misston erzeugen kann. Zum Fiedeln gezwungene Kinder wissen das nur zu gut. Sinnbildlich ist das Scheitern an sich selbst gemeint. So heißt es in Auerbachs "Dorfgeschichten" (Ausgabe von 1855), "das Müllerle... war auch ein Nachkomme jenes närrischen Musikanten, der am Felsen beim Hallberge sein Leben vergeigte und wovon der Fels noch immer den Namen des Geigerles Lotterbett hat". Früher hätte man, wäre der Fußball schon erfunden gewesen, wohl gesagt: Es ist ihnen nicht gegeigt worden - den Kickern nämlich ein geordnetes Verhalten in der Abwehr. Gewiss hätten es Manuel Neuer und Kollegen vorgezogen, die Geige anders zu zitieren: so nämlich, dass die WM-Gruppe E nach ihrer Geige tanzen würde. Doch dies erwies sich als Wunschtraum, siehe oben unter: vergeigt.

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