Aktuelles Lexikon:Sondierung

Auch beim Untertauchen kann man sich verpeilen.

Von Johan Schloemann

In Friedrich Schillers "Verschwörung des Fiesco zu Genua" sagt der Titelheld zur Figur des "Mohren", der dann seine sprichwörtliche Schuldigkeit getan haben wird: "Geh also gleich morgen durch Genua und untersuche die Witterung des Staats. Leg dich wohl auf Kundschaft, wie man von der Regierung denkt, und vom Haus Doria flüstert, sondiere daneben, was meine Mitbürger von meinem Schlaraffenleben und meinem Liebesroman halten." Schon damals war also die übertragene Bedeutung der Sondierung geläufig. Ursprünglich ist die "Sonde" ein altfranzösisches Wort und bezeichnet das Senkblei, auch Lot genannt, zur Erkundung der Wassertiefe. Eine andere, wohl nachträgliche Erklärung leitet das französische Verb sonder vom lateinischen subundare ab, untertauchen. Jedenfalls haben Sonden den Zweck, sonst nicht zugängliche Stellen zu erforschen, etwa die geheimen Wünsche des Christian Lindner. Im Bergbau dienen sie der Probebohrung, in der Medizin der Untersuchung von Körperhöhlen. Das informelle Beschnuppern nach der Wahl braucht es, weil in Deutschland kein offizieller Regierungsbilder (Formateur) vom Präsidenten beauftragt wird wie etwa in Italien. Also müssen die Parteien sich selber zu einer Mehrheit finden. Das Risiko jeder Sondierung ist Technikern bekannt: Man kann sich verpeilen.

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