Aktuelles Lexikon:Prinzip Hoffnung

Von einer frohen Botschaft zum geflügelten Wort mit kritischem Unterton.

Von Paul Munzinger

Wer durch das Tor zur Hölle geht, hat keine Wahl mehr: Er muss, das wissen wir von Dante, alle Hoffnung fahren lassen. Alle anderen dürfen sie noch behalten. Denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt - und nur unverbesserliche Pessimisten, die immer das letzte Wort haben müssen, trüben diese frohe Botschaft, indem sie ihr ein "Aber sie stirbt" hinterherraunen. Die frohe Botschaft des Philosophen Ernst Bloch (1885-1977) wiederum besteht darin, dass die Hoffnung nicht weltfremde Zuversicht, blinder Glaube oder Zweckoptimismus sei, sondern ein Prinzip, das mit beiden Beinen auf dem Boden der Wirklichkeit und ihrer real existierenden Veränderbarkeit steht. "Prinzip Hoffnung" lautet der Name seines mehrbändigen Hauptwerks, der fast 70 Jahre nach der Veröffentlichung noch immer als geflügeltes Wort durch die Gegend schwebt. Benutzt wird es dabei allerdings kaum noch, um konkrete Utopien zu entwerfen, sondern um Kritik zu üben: an jemandem, der seiner Verantwortung nicht gerecht wurde und daher aufs Schicksal vertrauen muss. In diesem Sinne sagte nun auch Außenministerin Annalena Baerbock, als russische Lektion für das Verhältnis zu China: "Komplette wirtschaftliche Abhängigkeit basierend auf dem Prinzip Hoffnung macht uns politisch erpressbar."

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