Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Jesidentum

Der Glaube, bis vor Kurzem nur mündlich überliefert, gilt als älteste monotheistische Religion der Welt.

Von Raphael Geiger

Wirklich verlassen konnten sich die Jesiden in ihrer Geschichte auf niemanden, zuletzt auch nicht auf das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte ihrer Asylanträge abgelehnt hat. Wahre Freunde? Vielleicht nur die Berge. Das Sindschar-Gebirge liegt zwischen Syrien, dem Irak und der Türkei, dieser ewigen Konfliktregion. Für die Jesiden war Sindschar immer ein Rückzugsort, zuletzt besonders vor den Fanatikern des sogenannten Islamischen Staates, die ihnen Teufelsanbetung vorwerfen. Seit Sommer 2014 hat der IS Hunderttausende Jesiden vertrieben, Tausende Männer ermordet und ungezählte Frauen und Kinder entführt und versklavt - ein Genozid. Das Jesidentum - dem man nicht beitreten kann, sondern dem man qua Geburt angehört - gilt als älteste monotheistische Religion der Welt, von 4000 Jahren ist die Rede. Überliefert wurde der Glaube bis vor Kurzem nur mündlich. Er dreht sich um den Engel Melek Taus, einen von sieben Erzengeln, der in Gottes Auftrag die Welt erschaffen haben soll. Dokumentiert ist die Zahl der Massaker, die die Jesiden in ihrer Geschichte erlitten haben: Der IS-Völkermord, so die Zählung, war die Nummer 74. Im Gegensatz zu Christentum oder Islam besitzen die Jesiden eine für Religionen sehr angenehme Eigenschaft: Sie missionieren nicht. Im Grunde wollen sie einfach nur in Frieden gelassen werden.

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