Aktuelles Lexikon:Frauenliteratur

Ein Begriff, dessen erste Hälfte nach Ansicht vieler Autorinnen verzichtbar ist.

Von Marie Schmidt

Universale Begriffe wie "Schönheit" oder "Literatur" sind in unserer Welt sehr lange von Männern geformt worden. Es bedurfte dann einiger Kraft, darauf aufmerksam zu machen, dass Frauen nicht zu den gleichen Bedingungen Schöpferinnen schöner Literatur werden wie Männer. Die berühmteste Anstrengung in der Sache ist Virginia Woolfs Essay "A Room of One's Own" über ungleiche Bildungschancen und Zugänge zum intellektuellen Leben, mit der legendär präzisen Forderung, was eine Frau brauche, um schreiben zu können: "500 (Pfund) im Jahr und ein Zimmer für sich." Beim Schreiben selbst solle aber niemand mehr an sein Geschlecht denken, heißt es da auch. Literatur sei in sich androgyn. Als die Autorin Amelie Fried es gerade wieder "herabsetzend" fand, wenn man ihre Bücher "Frauenliteratur" nennt, war sie also in einem alten Konflikt aller Emanzipation: Um Ungerechtigkeit thematisieren zu können, muss man sich positionieren. Damit eine Aussage wie "Frauen in der Kunst verdienen weniger als Männer, also zu wenig" konkrete Folgen hat. Gleichzeitig muss man das Risiko bekämpfen, dass etwas wie "Frauen in der Kunst" zu einem abgeschotteten Gehege wird. Als die Literaturwissenschaftlerin Nicole Seifert zuletzt ein Buch über solche Probleme schrieb, ließ sie auf dem Umschlag den ersten Teil des Kompositums "Frauenliteratur" durchstreichen. Eine passend ambivalente Geste.

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