Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Razzia

Das Wort, das Olaf Scholz gerade zusetzt, kommt nicht aus dem Italienischen, wie man meinen könnte, sondern aus dem Arabischen.

Von Moritz Baumstieger

Weil ihr einige Ziffern fehlten, auf die ein Kadi vielleicht mal einen Blick werfen sollte, veranlasste die Staatsanwaltschaft Osnabrück vergangene Woche eine Razzia. Sie ließ Unterlagen der Zoll-Spezialeinheit FIU beschlagnahmen; Finanzminister Olaf Scholz, dessen Haus Ziel der Untersuchung war, reagierte nicht amüsiert, schließlich ist Wahlkampf. Die Ermittler hätten ihre Fragen "auch schriftlich stellen können", sagte er - die Durchsuchung empfand er wohl als Angriff, als Überfall, ja vielleicht sogar Beutezug. Damit kommt Scholz dem Ursprung des Wortes Razzia sehr nahe, das trotz seines italienischen Klangs nicht etwa aus dem Kontext von Mafia und Mafiajägern stammt: Genau wie die Ziffer und der Kadi hat die Razzia ihren Ursprung im Arabischen, das vor allem im nordafrikanischen Raum gebräuchliche Nomen ġāziya leitet sich vom Verb ġāza ab: einen Kriegs- oder Beutezug unternehmen, einfallen, überfallen, einbrechen. Und obwohl die Kolonialmacht Frankreich ihre Herrschaft auch über den Maghreb mit ihrer zivilisatorischen Mission und ihrem kulturellen Sendungsbewusstsein rechtfertigte, nahm sie durchaus auch Begriffe der beherrschten Völker auf. Über diesen Umweg gelang der Razzia der Weg - man könnte auch sagen: das Eindringen, der Einbruch - ins Deutsche.

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