Afghanistan:Wie Saigon 1975

Die US-Luftwaffe greift wieder die Taliban an - viel ändern wird das nicht mehr. Dem Land und seinen Menschen stehen sehr schwere Zeiten bevor.

Von Joachim Käppner

Man soll den Vergleich nicht überstrapazieren, aber der Abzug der Amerikaner und ihrer Verbündeten aus Afghanistan beginnt an Saigon 1975 zu erinnern, so unterschiedlich die Kriege in Vietnam und am Hindukusch militärisch wie völkerrechtlich waren. Die fremden Truppen gehen, die Aufständischen rücken vor, die Regierungsarmee verliert an Zuversicht, woran auch letzte Luftangriffe der Amerikaner nichts mehr ändern. Die US-Luftwaffe greift nun wieder die Taliban an, und doch ist es sehr zweifelhaft, ob sich diese dadurch noch stoppen lassen.

Notfalls müssen die Islamisten nur ein paar Wochen warten, bis der letzte US-Soldat und der letzte Kampfjet das Land verlassen haben. Nicht umsonst heißt es bei den Taliban: Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit. Jetzt zeigen sich die bösen Folgen des dilettantischen sogenannten Friedensabkommens, das die Trump-Administration voriges Jahr mit den Islamisten schloss und das diese zu nichts verpflichtete als den Abzug nicht zu behindern.

Afghanistans Regierung durfte nicht mitreden, geschweige denn die eindrucksvoll wiedererwachte Zivilgesellschaft. Sie zahlt jetzt den Preis, wie die UN beklagen, die Zahl getöteter Zivilisten steigt rapide. Ein humanitäres Drama deutet sich an, das bald auch den Westen erreichen wird: in Form von vielen Flüchtlingen und wachsender Terrorgefahren.

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