Afghanistan:Geld ja, Anerkennung nein

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Angekommen im Zentrum der Macht: Taliban-Kämpfer posieren am 15. August im Präsidentenpalast in Kabul. (Foto: Zabi Karimi/AP)

Die Taliban brauchen den Westen, doch die Bundesregierung sollte nicht auf alle Wünsche der neuen Machthaber in Kabul eingehen.

Kommentar von Tobias Matern

Regieren, statt Krieg zu führen, das ist für die Taliban deutlich schwieriger. 20 Jahre haben sie sich gegen das westliche Militär behauptet. Nun sind sie im Kabuler Präsidentenpalast. Aber selbst wenn neue Freunde wie die Regierung in Peking in die Bresche springen - die selbsternannten Gottesschüler werden auf Zuwendungen aus dem Westen angewiesen sein, um nicht nur den Mangel zu verwalten.

Nach 20 Jahren Afghanistan-Krieg bekommt der gedemütigte Westen zumindest zwei Hebel in die Hand: Geld und diplomatische Anerkennung - beides fordern die Taliban ein. Letztere kann warten. Die Islamisten müssten erst einmal nachhaltig beweisen, dass sie die gesellschaftlichen Fortschritte der vergangenen 20 Jahren nicht wieder beseitigen.

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Zudem hoffen die Islamisten einem Medienbericht zufolge auf finanzielle Hilfe. Bei einer Demo für Frauenrechte in Kabul soll mindestens eine Person verletzt worden sein. Lokale Medien berichten von chaotischen Szenen.

Erste Signale bieten da wenig Anlass zur Hoffnung: In den Moscheen hetzen Hardliner gegen Frauen, Musik im öffentlichen Raum ist schon verboten. Das neue Afghanistan unter den Taliban droht das alte zu werden. Eine überstürzte diplomatische Anerkennung wäre da das falsche Signal.

Beim Hilfsgeld ist das anders gelagert, es muss bald wieder fließen. Das Land steuert auf eine Hungerkatastrophe zu. Wenn die internationalen Mittel noch lange eingefroren bleiben, trifft das nicht nur die Taliban, sondern auch die Zivilbevölkerung. Seit die westliche Kriegsindustrie weggebrochen ist, haben ganze Familien ihre Lebensgrundlage verloren.

Nach dem Scheitern der Nato ist dies nun die Stunde der Vereinten Nationen: Die Organisation kann die Mittel gezielt verteilen und muss dafür Sorge tragen, dass die Hilfen nicht wie in den vergangenen 20 Jahren im korrupten Staatsapparat versickern. Und durch den Sicherheitsrat haben die UN auch das politische Gremium, das den internationalen Druck auf die Taliban hoch halten kann. Ob sich die Islamisten davon beeindrucken lassen? Nicht sicher, aber möglich. Schließlich müssen die Taliban ja jetzt irgendwie regieren.

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