Afghanistan:Ein Zeugnis des Versagens

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Tausende von Menschen, die einst den Amerikanern und ihren Verbündeten in Afghanistan geholfen haben, sitzen in Abu Dhabi fest. Der Westen lässt sie im Stich.

Von Thore Schröder

Etwa 12 000 afghanische Flüchtlinge sind in Abu Dhabi gestrandet. Einige von ihnen waren im August während der Luftbrücke über den Flughafen Kabul dorthin gelangt, andere sind offenbar in den Monaten danach von privaten Hilfsorganisationen in die Emirate gebracht worden. Auch sechs Monate nach dem Fall von Kabul ist für viele von ihnen unklar, wo sie landen werden, ob sie etwa die Aussicht haben, über ein Sondervisa-Programm dauerhaft in den USA zu leben.

Unter der Regierung von Donald Trump war die Aufnahme selbst hochgefährdeter Partner politisch nicht gewollt, Kapazitäten für die Prüfung der Visaanträge wurden systematisch abgebaut. Die Regierung von Präsident Joe Biden steuerte nicht gegen, weil man sich in Washington fürchtete, die Bilder massenhaft fliehender Afghanen könnten die Kampfmoral im Krieg mit den Taliban untergraben. So wurden bis zum Spätsommer keine Vorkehrungen getroffen, um die Helfer der USA geordnet aus dem Land zu bringen. Dann standen plötzlich die Taliban in Kabul.

Viele Menschen wurden im Anschluss unter chaotischen Umständen und nur durch den Einsatz von Privatleuten aus Afghanistan gerettet. Freilich haben sich nicht nur die USA schuldig gemacht, indem sie Verbündete zurückließen. Tausende sogenannter Ortskräfte der Bundeswehr und anderer deutscher Behörden müssen bis heute in Afghanistan ausharren, ohne zu wissen, wie und wann sie nach Deutschland gelangen. Insofern sind die in Abu Dhabi gestrandeten Afghanen nicht nur ein Armutszeugnis für die USA, sondern ein Zeichen für das Versagen des gesamten Westens im Umgang mit den lokalen Partnern.

Die noch in Afghanistan verbliebenen Helfer brauchen nun endlich schnelle unbürokratische Hilfe bei der Ausreise. Auch für diejenigen, die 20 Jahre lang ihr Leben im Verlass auf westliche Werte aufgebaut haben, trägt der Westen eine Verantwortung, die sechs Monate nach der Machtübernahme der Taliban nicht endet.

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