Verfassungsschutz:Bringt's was?

Verfassungsschutz: Dass dieser Mann und seine Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden, bedeutet möglicherweise weniger, als man annehmen würde.

Dass dieser Mann und seine Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden, bedeutet möglicherweise weniger, als man annehmen würde.

(Foto: Peter Gercke/dpa)

Die Erfahrung zeigt: Von der Beobachtung der AfD durch den Geheimdienst sollte man nicht allzu viel erwarten.

Kommentar von Ronen Steinke

Wenn man wissen möchte, wie es sich anfühlt, als AfD-Politiker unter Beobachtung des Verfassungsschutzes zu stehen, dann kann man Björn Höcke fragen, den thüringischen Demagogen. Er weiß es. Denn: Was auf Bundesebene erst jetzt nach jahrelangem Anlauf durch das Verwaltungsgericht Köln erlaubt worden ist, nämlich eine Beobachtung der AfD als "Verdachtsfall" auf Rechtsextremismus, das gilt in Thüringen schon lange. Der Landes-Verfassungsschutz hat die Partei im Visier, erlaubt ist seit 2020 das volle Programm der Spionage-Methoden - und der Chef des Landes-Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, prangert Höcke auch regelmäßig sehr vernehmbar als Demokratie-Gefährder an.

Und Höcke? Er hat sich dagegen nie gewehrt. Er ist dagegen nie vor ein Gericht gezogen. Die Umfragewerte seiner Landespartei sind stabil. Nach der Verfassungsschutz-Einstufung sind seine Wählerinnen und Wähler nur noch mehr geworden. Laut der jüngsten Thüringentrend-Umfrage des MDR sind es nun 24 Prozent. Unter ihnen mag es manche geben, die trotzig denken: Wir hatten das schon mal, dass der Staat uns gesagt hat, was wir wählen sollen. Und unter ihnen mag es auch manche geben, die sich erinnern können, dass vor gar nicht allzu langer Zeit auch die Linkspartei und sogar ein gewisser Bodo Ramelow persönlich noch vom Verfassungsschutz beobachtet wurden. Heute ist dieser Ramelow Ministerpräsident. So ändern sich die Zeiten.

Mit Blick auf den Ehrgeiz des Bundesamts für Verfassungsschutz, die AfD deutschlandweit als "Verdachtsfall" einzustufen, muss man deshalb die Frage stellen: Bringt's was? Dazu haben Verfassungsschützer offiziell keine Meinung, nach außen hin beteuern sie, sie setzten nur die Paragrafen um, besonders wenn sie sich vor einem Verwaltungsgericht erklären müssen, wie an diesem Dienstag geschehen. Ohnehin sammele der Geheimdienst ja nur Erkenntnisse, Entscheidungen treffen müssten dann andere. Aber als Gesellschaft, die diesen Verfassungsschutz finanziert und legitimiert, darf man sich die Frage nicht nur stellen, man muss es. Ist das eine Übung, die nur dazu dient, dass man selbst sich als AfD-Gegner wohler fühlt? Oder kriegt man so die Extremisten wirklich klein?

Wer sich vielleicht abschrecken lässt - und warum

Die AfD-Forschung, siehe Höcke, ist da unklar. Auch der Niedergang der NPD hatte wohl nicht in erster Linie mit ihrer Brandmarkung durch den Verfassungsschutz zu tun (und er ist genau betrachtet wohl auch kein Niedergang, sondern eher eine Wählerwanderung hin zu einer neuen, sich besser verkaufenden Rechtsaußen-Partei gewesen). Wenn sich unter den Wählerinnen und Wählern der AfD heute einige von einer Verfassungsschutz-Einstufung abschrecken lassen könnten, dann sind das wohl eher die nicht ideologisch Gefestigten: bürgerliche Leute, vielleicht sogar Beamte, die jetzt um ihren Job im öffentlichen Dienst fürchten. Das ist gut möglich. Von ihnen wenden sich vielleicht manche ab. Aus Kalkül wohlgemerkt, nicht aus Einsicht.

Dann muss man aber mit einem irritierenden Ergebnis leben. Der Verfassungsschutz beobachtet ein Ringen der unterschiedlichen Strömungen in der AfD. Rechts gegen ultrarechts. Wenn es eine Strömung gibt, die der Verfassungsschutz durch seine Beobachtung am ehesten schwächt, dann ausgerechnet die für AfD-Verhältnisse "Gemäßigten", die sich den Ultras noch entgegenstellen. Kein Wunder, dass Höcke entspannt ist.

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