Neun-Euro-Ticket:Eine Revolution

Lesezeit: 1 Min.

Was kostet Deutschland? Derzeit nur neun Euro. (Foto: Robert Haas/Robert Haas)

Jeder kennt die Schwächen des öffentlichen Nahverkehrs, aber geändert hat sich nie etwas. Das Neun-Euro-Ticket weist nun den Weg.

Kommentar von Kassian Stroh

Eine große Werbeaktion für den Nahverkehr soll das Neun-Euro-Ticket sein. Man wird erst in drei Monaten wissen, ob das gelingt oder ob es nicht schonungslos all die Kapazitätsengpässe, Taktlöcher und Infrastrukturprobleme aufdeckt, wie am Pfingstwochenende partiell bereits geschehen. Ein Gutes aber hat das Ticket in jedem Fall bewirkt: Es hat die sakrosankte, wiewohl kränkelnde Organisationsform des deutschen Nahverkehrs vorübergehend überwunden. Klingt banal, ist aber eine Revolution.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alle Meldungen zur aktuellen Situation in der Ukraine und weltweit - im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Nachrichten-Newsletter bringt Sie zweimal täglich auf den neuesten Stand. Hier kostenlos anmelden.

Finanziert wird dieser von Bund, Ländern, Kommunen und Kunden - fehlt irgendwo Geld, und das tut es immer, kann jede dieser Parteien sagen, die andere sei schuld. Und nichts ändert sich.

Betrieben wird der Nahverkehr von den Ländern und ungezählten Landkreisen, Städten und Firmen, zusammengeschlossen in weit mehr als 100 Verkehrsverbünden. Wer die auf einer Karte betrachtet, fühlt sich an die deutsche Kleinstaaterei im 18. Jahrhundert erinnert - die aber in puncto grenzüberschreitender Kooperation vermutlich vergleichsweise effizient war. Jeder dieser Verbünde hat sein eigenes Ticket- und Tarifsystem, eingeteilt in Waben, Ringe, Zonen, Kurz- und Normalstrecken und was noch nicht alles. Und für jeden dieser Verbünde braucht es mindestens eine eigene App, um Verbindungen zu suchen und Fahrkarten zu kaufen.

Auch diese Unübersichtlichkeit schreckt Menschen davon ab, Bus oder Bahn zu nehmen, nicht nur hohe Preise oder unflexible Fahrtzeiten. Da aber im komplizierten deutschen Nahverkehr alle Beteiligten eifersüchtig über ihre Partikularinteressen wachen, ist jede verschlankende Reform zum Scheitern verurteilt. Und nichts ändert sich.

Bis, ja, bis eben das Neun-Euro-Ticket kam. Ein Ticket, ein Preis, ein ganzes Land. So einfach, so schön. Wenn von diesem Ansatz in drei Monaten nur ein bisschen etwas übrig bliebe, es wäre viel gewonnen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Übersicht
:Alles zum Neun-Euro-Ticket

Überfüllte Züge oder große Freiheit? Was man über die Sonderaktion für Bus und Bahn wissen sollte.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: