Eine große Werbeaktion für den Nahverkehr soll das Neun-Euro-Ticket sein. Man wird erst in drei Monaten wissen, ob das gelingt oder ob es nicht schonungslos all die Kapazitätsengpässe, Taktlöcher und Infrastrukturprobleme aufdeckt, wie am Pfingstwochenende partiell bereits geschehen. Ein Gutes aber hat das Ticket in jedem Fall bewirkt: Es hat die sakrosankte, wiewohl kränkelnde Organisationsform des deutschen Nahverkehrs vorübergehend überwunden. Klingt banal, ist aber eine Revolution.
Finanziert wird dieser von Bund, Ländern, Kommunen und Kunden - fehlt irgendwo Geld, und das tut es immer, kann jede dieser Parteien sagen, die andere sei schuld. Und nichts ändert sich.
Betrieben wird der Nahverkehr von den Ländern und ungezählten Landkreisen, Städten und Firmen, zusammengeschlossen in weit mehr als 100 Verkehrsverbünden. Wer die auf einer Karte betrachtet, fühlt sich an die deutsche Kleinstaaterei im 18. Jahrhundert erinnert - die aber in puncto grenzüberschreitender Kooperation vermutlich vergleichsweise effizient war. Jeder dieser Verbünde hat sein eigenes Ticket- und Tarifsystem, eingeteilt in Waben, Ringe, Zonen, Kurz- und Normalstrecken und was noch nicht alles. Und für jeden dieser Verbünde braucht es mindestens eine eigene App, um Verbindungen zu suchen und Fahrkarten zu kaufen.
Auch diese Unübersichtlichkeit schreckt Menschen davon ab, Bus oder Bahn zu nehmen, nicht nur hohe Preise oder unflexible Fahrtzeiten. Da aber im komplizierten deutschen Nahverkehr alle Beteiligten eifersüchtig über ihre Partikularinteressen wachen, ist jede verschlankende Reform zum Scheitern verurteilt. Und nichts ändert sich.
Bis, ja, bis eben das Neun-Euro-Ticket kam. Ein Ticket, ein Preis, ein ganzes Land. So einfach, so schön. Wenn von diesem Ansatz in drei Monaten nur ein bisschen etwas übrig bliebe, es wäre viel gewonnen.