Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Joachim Fuchsberger:Jauch plus Pilawa plus Kerner im Quadrat

So populär war nur einer. Joachim "Blacky" Fuchsberger war der erste deutsche Filmstar nach dem Krieg und im Fernsehen omnipräsent. Ein Gentleman ist er geblieben - bis zuletzt.

Von Christian Mayer

Wer in München wirklich zu den Prominenten zählt, der hat einen Ehrenplatz sicher beim Einzug der Wiesnwirte. Einen Ehrenplatz auf einer der festlich geschmückten Kutschen, die am Morgen des ersten Oktoberfesttages im Schritttempo von der Innenstadt zur Theresienwiese fahren. Man sitzt da sehr bequem auf Augenhöhe mit den Brauereirössern und genießt das Spektakel, bei dem das Fußvolk der Wiesn-Prominenz begeistert zujubelt.

Auf dieser Kutsche, die wie ein Sinnbild für seine sanft auf und ab schaukelnde Karriere war, hat sich Joachim Fuchsberger wohlgefühlt. Viele Jahre lang wurde er so durch München befördert, neben ihm saß dann seine Frau Gundula, seine Managerin, Beraterin und Gefährtin, mit der er sechs Jahrzehnte verheiratet war. Wenn ihn die Leute erkannten, und das war unvermeidlich, dann riefen sie "Blacky", und es ging ein Lächeln über sein Gesicht.

Erzählwütiger Entertainer

Joachim Fuchsberger hat deutsche Fernsehgeschichte geschrieben, das war der Grund für seine enorme Popularität, die selbst dann anhielt, als er gesundheitsbedingt kürzer treten musste. Der Herr mit den silberweißen Haaren, der so wunderbar skeptisch dreinblicken konnte, um im nächsten Moment gleich wieder herzlich zu lachen, besaß noch immer viele Fans, er blieb, trotz sporadischer Abwesenheiten vom Glamourgeschäft, irgendwie immer da. Anders ist es nicht zu erklären, dass seine beiden späten Erinnerungsbücher "Denn erstens kommt es anders. . ." und "Altwerden ist nichts für Feiglinge" Bestseller wurden. Hier konnte man ihn noch einmal erleben, den manchmal schon gefährlich ehrlichen, erzählwütigen Entertainer, der den Tücken des Alters trotzen wollte. Der vor allem gegen die Weinerlichkeit, gegen das Gegreine und Genöle anschrieb, aber nicht frei war von Selbstherrlichkeit.

Ein Entertainer wollte Blacky Fuchsberger sein, wobei sich seine Exzentrik in Grenzen hielt. Er war eben mehr der alten Schule verpflichtet, der angelsächsischen Tradition des Gentleman-Moderators, der sogar dann seriös wirkt, wenn er gerade unverschämt wird. In einer gepflegten Unterhaltung darf man zwar mal Scheiße sagen, wenn es der Anlass erlaubt, aber es gibt auch so etwas wie Selbstdisziplin, einen eingebauten Nichtigkeitsfilter. Insofern war er das Gegenteil der Befindlichkeits-Schwätzer, die heute von Sendung zu Sendung ziehen. Ihm war es wichtig, die Form zu wahren, ob im gepflegten Anzug in der ARD-Show "Auf Los geht's los", im legeren Sporthemd als Moderator der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in München 1972 oder im dezenten Trachtenjanker als Stammgast beim Oktoberfest.

Glück hatte Fuchsberger schon als ganz junger Mann, als er den Zweiten Weltkrieg ohne Schrammen überstand. Bereits mit 16 war er zu den Fallschirmspringern eingezogen worden, doch ein letzter, irrwitziger Einsatz hinter den feindlichen Linien bei Aachen scheiterte unter dramatischen Umständen, "ein absolutes Himmelfahrtskommando", wie Fuchsberger gerne erzählte. Nach der Rückkehr aus britischer Kriegsgefangenschaft, in der er den Spitznamen "Blacky" erhielt - eine französische Freundin konnte das "Jacky" offenbar nicht so gut aussprechen - kam er über Umwege zum Rundfunksender München. Der junge Mann hatte das nötige Aussehen und das Auftreten, und so wurde aus dem Radiosprecher bald ein Schauspieler.

Damals konnte man mit ein, zwei Filmen locker ein Zehn-Millionen-Publikum erreichen. Ein solches Kinoereignis war "08/15", die Bestseller-Verfilmung nach der Romantrilogie von Hans Hellmut Kirst über eine deutsche Batterie im Zweiten Weltkrieg. Joachim Fuchsberger als Gefreiter Herbert Asch: Das war die perfekte Rolle, wenn man das harmoniesüchtige Nachkriegspublikum für sich gewinnen wollte. Der schöne Blacky spielte ja auch keinen brutalen Nazi und keinen feigen Mitläufer, sondern einen Soldaten, der sich gegen die Unmenschlichkeit seiner Vorgesetzten, gegen den Terror des Systems zur Wehr setzt. Der gute Deutsche mit dem verschmitzten Lächeln unterm Stahlhelm - besser hätte man es als Jungschauspieler nicht treffen können in dem Jahr, als Deutschland Fußballweltmeister wurde.

Vom Gefreiten zum Inspektor war es dann gar kein so großer Schritt. Seit Ende der Fünfzigerjahre kamen die Edgar-Wallace-Filme immer mehr in Mode. Die rasch angerührten Krimi-Cocktails vor britischer Kulisse waren Kassenschlager, und Fuchsbergers Karriere als Ermittler im Londoner Sumpf schien unaufhaltsam zu sein. "Der Frosch mit der Maske", "Die toten Augen von London", "Das Gasthaus an der Themse" oder "Der Hexer" waren alle nach dem gleichen Muster produziert. Fuchsberger stand auch hier auf der Seite der Guten, er war ein Verbrechensbekämpfer ohne größere Charakterdefizite, der auch in diesem Genre mit der ihm eigenen Lässigkeit glänzte. Wenn der Mörder hinterrücks mit seiner Harpune anrückte, bewahrte er einen kühlen Kopf, und nach seinem Ausflug im Londoner Abwasserkanal musste er den Scheitel nicht gerade ziehen: Bei diesem Mann saß alles.

Selbst eine nach heutigen Maßstäben irrwitzige Erfolgsmasche findet irgendwann ihr Ende, sie gewinnt durch ständige Wiederholung etwas Aberwitziges, wird zur Parodie ihrer selbst. Fuchsberger hatte rechtzeitig vor dem Wallace-Overkill einen Abgang gemacht und sich auf die Fernsehunterhaltung, die große Unterhaltungsshow konzentriert. Dass es zur internationalen Filmkarriere nicht ganz reichte, war ihm selbst bewusst: Es gebe, hat er einmal gesagt, "Schauspieler, Darsteller und Komödianten. Ich gehöre zu den brauchbaren Darstellern."

Auch das war natürlich selbstbewusstes Understatement, wenn man bedenkt, dass Fuchsberger im damaligen Drei-Kanal-Fernsehen ständig präsent war, als unermüdlicher Quizonkel in der Ratespiel-Show "Auf Los geht's los" (1977 bis 1986) und als verständnisvoller Gastgeber in der auf ihn zugeschnittenen Talkreihe "Heut' abend". Der Quotengarant Fuchsberger war damals ungefähr so allgegenwärtig und populär wie Jauch plus Pilawa plus Kerner im Quadrat. Ja, es waren auch andere Zeiten. Das Publikum war ausdauernder, die Medien waren gnädiger, die Mächtigen im Sender hatten nichts zu befürchten.

"Wir alten Männer sind gefährlich"

In seinen späteren Jahren entdeckte Fuchsberger die Liebe zum Boulevardtheater. Er drehte Dokumentarfilme über seine zweite Heimat Australien. Und er blieb ein gern geladener, vor Anekdoten sprühender Talkshowgast. Wohl dem, der ein so gutes Gedächtnis hat. "Wir alten Männer sind gefährlich, weil wir keine Angst mehr vor der Zukunft haben. Wir können sagen und denken, was wir wollen", diesen Satz seines Freundes Peter Ustinov hat Fuchsberger immer gerne zitiert.

Mit 87 Jahren ist er nun gestorben, in seinem Haus in Grünwald. Viele werden ihn vermissen, seinen Charme, seine Fabulierlust, seine Selbstironie. Wie hat er doch mal gesagt? "Ich stehe auf und hole mir die Zeitung, schlage zuerst die Todesanzeigen auf, lese sie aufmerksam durch - wenn ich nicht drinstehe, ziehe ich mich an!"

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2125812
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.09.2014/mkoh
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.