Zum Tod von Harry Valérien:Wosimma? Wosamma? Dosamma!

Mit bayerischem Wortwitz und kritischer Distanz ist Harry Valérien zu einer Legende unter den Sportreportern geworden. Das "Aktuelle Sportstudio" im ZDF ist mit seinem Namen verbunden. Auch wenn Valérien häufig nach der richtigen Kamera suchte.

Daniela Dau

Sportjournalist Harry Valérien gestorben

Ein Vollblutjournalist, der mit bayerischem Zungenschlag und kritischer Distanz zur Legende unter den Sportreportern wurde: Harry Valérien ist im Alter von 88 Jahren gestorben.

(Foto: dpa)

Zum Journalismus kam Harry Valérien über Umwege. Als Vollwaise verbrachte der 1923 geborene Münchner mit seinen drei Geschwistern einen Teil seiner Jugend beim Großvater. Der junge Harry beendete eine Lehre zum Mechaniker, arbeitete als Geselle in einem "kriegswichtigen Betrieb" und geriet 1945 als Gebirgsjäger in US-amerikanische Gefangenschaft.

Bereits seit seiner Schulzeit hatte der begeisterte Skiläufer, Schwimmer und Fußballer, der über 100 Spiele in der Schülermannschaft des FC Bayern München bestritt, ein Faible für den Sport. 1946 machte er seine Leidenschaft zum Beruf: Valérien ging in München auf die Journalistenschule. Nach einem Volontariat beim Münchner Merkur begann Valérien als Reporter für den Bayerischen Rundfunk.

1952 erlebte er einen ersten Höhepunkt in seiner Karriere: Als einer von vier deutschen Rundfunkjournalisten wurde er als Reporter für die Olympischen Winterspiele in Norwegen ausgewählt. Mit Ausnahme von 1956 war Valérien bis 1996 bei allen Olympischen Spielen sowie allen Ski- und Schwimmweltmeistern als Kommentator für Hörfunk und Fernsehen dabei.

Dem Wintersport blieb Valérien Zeit seines Reporterlebens treu, auch wenn er sich außerdem als Spezialist für Schwimmen und Golf profilierte. Unvergessen sind seine emotionalen Kommentare bei Skirennen. "Sappradi, was macht er denn, der Bursch!?" rief Valérien, wenn ein Rennfahrer beim Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel einen Sturz mit akrobatischen Verrenkungen gerade noch vermeiden konnte - um dann hinterher erleichtert ins Mikrofon zu raunen. "Na, des ist grad noch mal gut gegangen!"

Dem Fernsehpublikum war Valérien seit Anfang der sechziger Jahre bekannt. Er gehörte zu den Mitbegründern des Aktuellen Sportstudios und moderierte bis 1988 283 Folgen der ZDF-Sendung. Zum Markenzeichen wurde neben seinen farbenfrohen Strickpullovern die regelmäßige Frage: "Auf welcher Kamera sind wir?", die er oft auf Bayerisch stellte und beantwortete: "Wosimma? Wosamma? Dosamma!"

Von der scheinbaren Orientierungslosigkeit im Studio sollten sich Interviewgäste nicht täuschen lassen: Der Sportjournalist galt als ebenso kenntnisreicher, kritischer und hartnäckiger, aber auch besonders fairer Gesprächspartner. Als Fußball-Nationalspieler Paul Breitner 1982 gegen kritische Journalisten wetterte, riet ihm Valérien: "Sie sollten vielleicht ein bisschen mehr - darf ich Ihnen das sagen - gelassener sein. Geht das?"

Als einer der Ersten engagierte er sich vor der Kamera gegen Doping, auch gegen Widerstände im eigenen Haus. "Wir haben im Sportstudio 1977 drei große Sendungen über Doping gefertigt. Da haben einige Kollegen die Nase gerümpft, weil sie deswegen mit einem Fußballspiel oder einem Boxkampf nicht haben ins Programm rücken können", erinnerte sich Valérien in einem Interview mit der FAZ im Jahr 2004.

Von "Live" bis zum "Telemotor"

1983 hätte Valérien Sportchef des ZDF werden sollen, doch er lehnte ab. "Ich bleibe lieber Reporter, das sagt mir mehr zu als die Verwaltung." Auch wenn er dem Sport lebenslang verbunden blieb (in den neunziger Jahren vor allem als Golf-Moderator bei Sat.1 und Premiere), trat er auch in anderen Bereichen vor die Kamera.

An der Seite von Amelie Fried war er Gastgeber der ZDF-Talkshow Live, er moderierte das ZDF-Verkehrsmagazin Telemotor und führte Einzel-Interviews in der Reihe Sonntagsgespräch. Seine zahlreichen Bücher, die internationale Sportgroßereignisse und andere Sportthemen teilweise auch aus ungewöhnlichen Blickwinkeln darstellten, wurden zu Bestsellern.

Für seine journalistischen Leistungen bekam Harry Valérien zahlreiche Preise verliehen, darunter gleich mehrfach die Goldene Kamera und den Bambi. 2004 erhielt er den Ehrenpreis des Bayerischen Fernsehpreises.

Privat fand Valérien sein Glück mit der früheren norwegischen Skirennläuferin Randi Sörensen und in seinem Zuhause am Starnberger See. Nach einem Herzinfarkt 1986 trat er beruflich kürzer, trieb aber bis ins hohe Alter Sport und beschäftigte sich mit fernöstlichen Philosophien.

Die gemeinsamen Töchter Tanja und Laila kamen 1962 und 1964 zur Welt. Laila starb 2007. Tanja ist mit dem Bergsteiger Stefan Glowacz verheiratet. Beide saßen wie auch seine Frau Randi mit im Auto, als Valérien am Freitagabend auf der Rückfahrt von einem Treffen mit ehemaligen Kollegen und Skirennläufern im Auto einschlief und an Herzversagen starb. Harry Valérien wurde 88 Jahre alt.

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