Süddeutsche Zeitung

Zum Rückzug von Günther Jauch:Erfolglosigkeit sieht anders aus

Nach vier Jahren kündigt Moderator Günther Jauch seinen Rückzug aus der ARD an. Warum, sagt im Moment keiner offen. Die Talkflut jedenfalls dürfte sich damit erledigt haben.

Von David Denk und Claudia Tieschky

Am Sonntag wird es so wieder so sein, wie es in deutschen Wohnzimmern eine liebe Gewohnheit ist: Erst kommt der Tatort, dann Günther Jauch. Das Thema der Sendung lautet "Die Welt in Unordnung - kann Politik noch Krisen lösen?" Dann wird Jauchs Abschiedstournee schon begonnen haben. Was die Zuschauer aber mindestens genauso interessiert: Warum hört Jauch Ende des Jahres auf, wie am Freitag verkündet wurde?

"Über das Angebot der ARD zur Vertragsverlängerung" habe er sich sehr gefreut, ließ der Moderator verbreiten. "Sowohl aus beruflichen als auch aus privaten Gründen" habe er es aber nicht angenommen.

Das sind höfliche Worte dafür, dass Jauch, den die ARD so heftig umworben hat wie niemanden zuvor, nach nur gut vier Jahren Schluss macht mit der Beziehung. Woran es lag, sagt im Moment keiner offen, die Quoten jedenfalls waren nicht der Grund. 2011 schauten im Schnitt 4,52 Millionen zu, im laufenden Jahr 4,37 Millionen. Erfolglosigkeit sieht anders aus. Der redaktionell zuständige NDR teilte mit, Günther Jauch habe die "besten Werte für eine Talksendung im deutschen Fernsehen" erzielt.

Ist der Rückzug also nur der nachvollziehbare private Entschluss eines Mannes, der im kommenden Jahr 60 wird und journalistisch alles erreicht hat? Der Abschied von einem, der auch genügend Geld verdient hat - nicht nur in der ARD, sondern auch als Moderator beim Millionärsquiz (RTL) und Produzent zahlreicher Formate?

Solide, aber nicht mehr

Sicher ist, dass die ARD auf eine längere Verweildauer von Jauch im Ersten gehofft hatte. Selbst als ein erster Versuch, Jauch für ihren Prestige-Sendeplatz zu gewinnen, 2007 scheiterte, gaben die Intendanten das Werben nicht auf. Als Jauch 2011 schließlich doch einschlug, stellte man das gesamte Talkshowsendeschema für ihn um und verbannte die bisherige Sonntagstalkerin Anne Will auf den Mittwochabend. Dass sie dort weiter an Format gewann, brachte ihr Hochachtung ein. Jauch wiederum gelang es nie, zu dem Stern zu werden, der er am ARD-Himmel hätte sein sollen. Seine Sendung war solide, aber eben zu oft nicht mehr als das.

Sein Engagement bei RTL hatte Jauch mit Dienstantritt im Ersten nicht beendet, seine Beziehung mit der ARD war nicht exklusiv, auch deshalb geriet er öfter mal in die Kritik. Der ARD-Programmbeirat monierte auch seine Gesprächsführung. Er hake "selten nach", auch die Themen- und Gästeauswahl sei fragwürdig. Jauch und die ARD-Gremienkultur blieben sich doch eher fremd. Dabei hatte Jauch als Nachwuchs-Moderator in der progressiven BR-Jugendsendung Live aus dem Alabama bereits gelernt, was Gegenwind bedeutet. "Sie kucken immer so", soll ihm in der ARD mal einer vorgehalten haben. Was soll man darauf sagen? Zuletzt erregte der Streit um ein in der Sendung gezeigtes Video des heutigen griechischen Finanzministers Giannis Varoufakis für ungewünschte Aufmerksamkeit.

Jauch beendet nun nicht nur seine eigene ARD-Karriere, er macht wohl auch Schluss mit der Talk-Inflation im Ersten. Von den fünf Plauderrunden bleiben nach dem Aus von Beckmann und der Jauch-Absage nur noch drei. Mit Jauch hat es angefangen, mit ihm hört es wieder auf.

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SZ vom 06.06.2015/rus
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