Süddeutsche Zeitung

Zukunft nach "Wetten, dass..?":ARD oder ZDF - wo unterschreibt Gottschalk?

Täglich im Ersten, wöchentlich im Zweiten? Thomas Gottschalk und seine bequeme, aber pikante Verhandlungslage.

Christopher Keil

Wenn Thomas Bellut am Freitag der kommenden Woche in Berlin zum fünften Intendanten des ZDF gewählt wird, kann das niemanden mehr verwundern. Der promovierte Politologe aus Münster hatte zunächst einen Werdegang in politischen Redaktionen gewählt, 2002 wurde er mit klarem Ziel Programmdirektor beim Zweiten in Mainz. Mit der Ausbildung im U-Sektor der Anstalt, auf einer Position, die den täglichen Umgang mit TV-berühmtem Personal aus Show, Film und Serie verlangt und eine ständige Beschäftigung mit den weichen Themen auf inzwischen erstaunlich vielen gebührenfinanzierten ZDF-Kanälen, qualifizierte er sich formal für die Kandidatur.

Intendanten, die Programmdirektoren waren, gibt es gar nicht mehr so viele im öffentlich-rechtlichen Fernsehbetrieb, den zunehmend Verwaltungsdirektoren lenken. Im ZDF könnte daraus Tradition werden, denn Markus Schächter, der im Februar 2012 nach einem Jahrzehnt seinen Platz in der Intendanz räumen wird, war auch Programmdirektor. Einen natürlichen Zugang zur Unterhaltung hat Bellut also nicht, wohl aber, wenn der Eindruck nicht täuscht, zu den meisten Menschen, auch solchen, die unterhalten. Besonders eng fühlt er sich Thomas Gottschalk verbunden.

Als der heitere Blonde im Frühjahr 2010 zum 60.Geburtstag nach New York lud, war auch Bellut dabei. Der künftige ZDF-Chef schätzt Gottschalk nicht nur für seine barocke, immer wieder auch komische, beständige Art und Weise, Wetten, dass..? zu moderieren. Oft wies er in kleiner Runde darauf hin, dass Gottschalk ein stets höflicher, gebildeter, fairer und amüsanter Gesprächspartner sei, der auch die Damen des Vorzimmers stets grüße, was offenbar nicht jedem gelingt.

Zur Fairness, die Gottschalk walten lässt, zählte auch, dass er Bellut sehr früh über Verhandlungen mit der Konkurrenz informierte. Den stets beherrschten Manager muss das sehr erstaunt haben. Zum einen liegt Gottschalk ein ZDF-Angebot vor. Er würde nach seinem Ausstieg bei Wetten, dass..? Ende des Jahres eine wöchentliche Sendung bekommen, würde außerdem bei "verschiedenen Top-Events" eingesetzt, sagt ein ZDF-Mitarbeiter - von mindestens sechs sei man ausgegangen. "Bei guter Überlegung" hätten es mehr werden können.

Bis Sommer 2012 steht Gottschalk beim ZDF unter Vertrag. Bellut soll seinem Großkünstler eine Art "Rundum-Sorglos-Paket" geschnürt haben bis Herbst 2015. Das Kernstück wäre eine wöchentliche Late Night Show in bester Sendeplatzlage gewesen, vermutlich Montag-, vielleicht Freitagabend. Gottschalk "hätte beim ZDF alt werden können", sagt einer aus dem ZDF.

Dort geht man nun eher davon aus, dass sich der teure Mitarbeiter für die ARD entscheidet. Beim geschwisterlichen Sender planen Frauen wie Monika Piel, ARD-Vorsitzende bis Ende 2012, im Hauptberuf verantwortlich für den Westdeutschen Rundfunk (WDR), und Männer wie Volker Herres, ARD-Programmdirektor, derzeit offensiv. Sie haben - mit dem mehrheitlichen Einverständnis der anderen Intendanten - Günther Jauch für die politische Sonntagabendrunde engagiert, sie haben Matthias Opdenhövel von Pro Sieben zur Samstag-Sportschau gelotst und werden ihn mit einer Show ausstatten. Sie beschäftigen Kai Pflaume (Das neue Star Quiz), und sie wollen Gottschalk.

Jeden Wochentag könnte Gottschalk gegen 19.20 Uhr auftreten. Das hat Bunte gemeldet. Es soll sich um eine One-Man-Show handeln: Gottschalk, ohne Publikum im Studio, plaudert sich durch die Vielfalt des Tages, setzt sich übers Internet, über Telefon oder sonst wie mit der Welt draußen in Verbindung. Vielleicht wird es ja so.

Das Risiko wäre nicht gering. Thomas Gottschalk wird sehr als ZDF wahrgenommen. So eine Vorabendsendung ist nicht eingeführt. Scheitern wäre nicht die letzte Perspektive. Doch Gottschalk möchte wohl die Vergangenheit weit hinter sich lassen, und er würde mehr als beim ZDF verdienen. Die ARD könnte Harald Schmidt ersetzten, nicht zur selben Sendezeit, dafür genau so prominent. Anfang Juli will sich Gottschalk entscheiden. Dann ist Bellut als Intendant ernannt, vielleicht hat auch das noch Einfluss.

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Quelle:
SZ vom 10.06.2011/berr
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