Süddeutsche Zeitung

Zeitungsverleger:Schön mit Papier

"Qualität kostet etwas": Zuversicht und viel Willen zu Bezahlmodellen im Internet bei der Tagung der Zeitungsverleger in Regensburg.

Von Viola Schenz

Zeitung kann auch anders schön sein. Zum Beispiel mit viel Taille, Dekolleté und Bundfalten. Junge Frauen in knapp geschnittenen Kleidchen aus, ja tatsächlich, Zeitungspapier stehen lächelnd im Foyer des Theaters Regensburg. Einzelne Seiten der Mittelbayerischen Zeitung wurden kunstvoll zu Minis und Dirndl geheftet und verleimt. Nicht nur wegen ihrer unkonventionellen Verkleidung fallen die Damen auf, sondern auch weil sie zu den sehr wenigen weiblichen Gesichtern auf dem Kongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gehören, der Anfang der Woche in Regensburg tagt. Geschätzt 98 Prozent der Teilnehmer sind männlich, den winzigen Rest machen Hostessen, Kellnerinnen, BDZV-Mitarbeiterinnen und Verlegergattinnen aus. Ein Fotograf bittet eine Dame diskret, sich doch zu den dunklen Anzügen zu stellen, damit "das Gruppenfoto nicht wie eine Trauergemeinde aussieht".

Aber von Trauer keine Spur, dieser Kongress soll Optimismus verbreiten, man werde sich den "Herausforderungen der Digitalisierung" stellen, meint BDZV-Präsident Helmut Heinen - und hebt hervor, dass bis Ende des Jahres 120 Zeitungen Bezahlangebote für ihre Inhalte im Netz haben werden. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, als solche auch für Medien zuständig, springt für ihren Chef Horst Seehofer ein und kommt mit einem naheliegenden Vergleich: "Freibier für alle wird bei Inhalten nicht funktionieren, Qualität kostet etwas." Danach nutzt sie die artigen Fragen von Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, routiniert dazu, die bayerische Medienpolitik kräftig zu loben ("zwei Milliarden Euro in digitale Projekte!"). Und muss weiter, nach Berlin, dem Chef zum Flüchtlingsgipfel folgen. Nach ihr darf der Bundesjustizminister auf die Bühne. Heiko Maas ruft ihr nach, dass es bei der Digitalisierung nicht unbedingt auf Größe, sondern auf Schnelligkeit ankomme, aber da ist Aigner schon weg. Auch Maas versucht es mit Zuversicht für die Verleger: Im digitalen Zeitalter brauche man nicht weniger, sondern mehr Qualitätsjournalismus.

Kontrovers wird es auch noch: Wem gehört der Sport, fragt die nächste Runde. Der Bayerische Fußballverband (BFV) liegt seit Monaten im Clinch mit der Mittelbayerischen Zeitung (MZ) und dem Nordbayerischen Kurier (NK). Die berichten längst auch mit Videos über die Amateurligen, und für die verlangt der BFV jetzt Lizenzgebühren - welche die Zeitungshäuser verweigern. Man brauche solche Einnahmen, für die Aufgaben des Breitensports, erklärt der geladene DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. NK-Chefredakteur Joachim Braun spricht von "Erpressung", der Breitensport gehöre nicht den Sportverbänden. Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein gerät fast zur Schlichterin, als sie Richtung Kompromiss lockt: Beide Seiten sollen sich sowohl die Videos als auch deren Produktionskosten teilen. Offen bliebe da freilich die Frage, was dann mit all den anderen wäre, den freien Bloggern etwa, die ihre Videos auf Fußballportale laden. Müssten die auch zahlen? Dann ist die Debattenzeit leider vorbei, aufschlussreich war sie dennoch: Es kann durchaus von Vorteil sein, wenn Frauen nicht nur verkleidet rumstehen, sondern auch ein paar Fragen stellen.

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Quelle:
SZ vom 23.09.2015
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