Zeitungen und Zeitschriften an Funke-Gruppe:Springer verkauft sein Erbe

Axel Springer Verlag in Berlin

Der Axel Springer Verlag trennt sich in großem Stil von Regionalzeitungen und von etlichen Zeitschriften. Die veräußerten Blätter passten nicht mehr zur neuen Strategie des Hauses, heißt es zur Begründung.

(Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

"Bayern haut Barca weg!" war die "Bild"-Schlagzeile am Donnerstag. Eigentlich müsste sie nun lauten: "Springer haut seine Vergangenheit weg." Der Verlag verscherbelt Blätter aus seiner Gründerzeit an die Funke-Gruppe und hofft auf Rendite im Digitalen. Journalismus scheint dabei zweitrangig zu sein.

Von Caspar Busse, Bernd Dörries, Claudia Fromme und Hans Leyendecker

Der Krieg war vorbei, Hamburg war ausgebrannt, aber es gab Hoffnung auf bessere Zeiten, als sich der junge Verlegersohn Axel Cäsar Springer bei den Briten, die das Sagen hatten, um eine Drucklizenz bewarb.

Legendär war sein Auftritt. Ein Bewerber nach dem anderen berichtete, von den Nazis übel verfolgt worden zu sein. Der dandyhafte Springer, der mit den Briten viel über Demokratie diskutiert hatte, kam als letzter an die Reihe. Auf die Frage des Militärgouverneurs, wer ihn verfolgt habe, soll er geantwortet haben: "Ooch, eigentlich nur die Frauen." Er bekam den Zuschlag und machte was draus.

Am 15. Dezember 1946 bekam er die Lizenz für die Rundfunkzeitschrift Hörzu, deren erster Chefredakteur der legendäre Eduard Rhein war. Die Zeitschrift veränderte die deutsche Zeitungslandschaft nicht nur mit dem Redaktionsigel Mecki und Charly Pinguin.

Das Blatt brachte Farbe in die Zeitungswelt. Am 14. Oktober 1948 erschien dann erstmals das Hamburger Abendblatt, auch ein neues Springer-Geschöpf. Vielleicht sogar seine gelungenste Schöpfung.

Die Idee des Blattes war simpel: Hamburg. Die Ausführung war erfolgreich. Das Blatt zeigte, dass der junge Verleger ein großer Zeitungsmacher war: "Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen." Alles, was bei Springer danach kam, egal ob Welt oder Bild, kam nach Hörzu und Hamburger Abendblatt.

Ein historischer Moment

Seit diesen Donnerstag ist alles anders. Springer-Chef Mathias Döpfner verkündete den radikalen Schnitt. Er verkauft die Regionalzeitungen und einen Großteil der Zeitschriften, unter anderem Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost, Hörzu, TV Digital, Funkuhr, Bild der Frau, an die Funke-Mediengruppe, wie der WAZ-Konzern sich seit einiger Zeit nennt.

Es ist ein historischer Moment. Und es sagt viel über Springer und den neuen Kurs aus, dass die Mitarbeiter am Morgen zuerst per E-Mail vom Vorstandschef über den Verkauf informiert wurden. "Mit schwerem Herzen" erfolge der Verkauf, schrieb Döpfner.

Erstaunen über die Begründung

Manchen Mitarbeitern der verkauften Blätter erscheint das wie Hohn. "Ein Schlag ins Gesicht", sagte eine Mitarbeiterin des Abendblattes. Alle seien sprachlos. Immerhin sei in einer Betriebsversammlung am Morgen, die in Berlin und Hamburg zeitgleich stattfand, gesagt worden, dass es in den kommenden zwei Jahren keine Kündigungen geben soll.

Mit Erstaunen aber hörten die Mitarbeiter eine der Begründungen für den Verkauf: Die veräußerten Blätter passten nicht mehr zur neuen Strategie von Axel Springer. "Unser Haus verabschiedet sich vom Journalismus", sagte einer.

Mathias Döpfner setzt auf die digitale Zukunft - und verscherbelt einen Teil des Erbes. Den Erlös von 920 Millionen Euro will er ins Onlinegeschäft investieren. Der Aufsichtsrat und die Witwe Friede Springer, die über das Erbe ihres Mannes wacht, sind einverstanden. Und die Blattmacher aus Essen, die in den vergangenen Jahren durch Sparmaßnahmen und das Plattmachen von Redaktionen aufgefallen waren, glauben offenbar, dass Regionalzeitungen noch eine Zukunft haben. Aus Essen heißt es: "Wir investieren in unsere Zugpferde."

Ein wenig verwirrend ist das alles schon.

An der Börse war die Sache klar: Die Springer-Aktie stieg vorübergehend um fast 25 Prozent, also um mehr als acht Euro, so hoch wie zuletzt 2007. Auf dem Weg zum digitalen Erfolg muss auch profitables Geschäft dran glauben. Die Titel, die jetzt nach Essen gehen, haben 2012 mit 900 Mitarbeitern einen Umsatz von 512 Millionen Euro gemacht. Der operative Gewinn lag bei immerhin 94,8 Millionen Euro.

Das Kartellrisiko trägt die Funke-Gruppe

"Das ist alles andere als ein Notverkauf", sagt eine Springer-Sprecherin. Zum Jahresanfang 2014 soll das Geschäft abgewickelt sein. Vorher muss auch noch das Bundeskartellamt zustimmen, das hat bereits eine sorgfältige Prüfung angekündigt.

Die Behörde hatte vor einigen Jahren schon mal ein Springer-Projekt zu Fall gebracht: Die Übernahme des Fernsehkonzerns Pro Sieben Sat 1. Das Kartellrisiko trage die Käuferseite, also die Funke-Gruppe, teilte Springer mit.

Vom Kaufpreis erhält Springer 660 Millionen Euro in bar, 260 Millionen Euro sind ein hochverzinstes Springer-Darlehen an die Funke-Gruppe. Das wirft kein gutes Licht auf die Finanzen der Essener.

Der ehemalige WAZ-Konzern ist ohnehin ein rätselhaftes Wesen. Viele Jahrzehnte haben sich zwei Familienstämme, die Funke-Gruppe und die Brost-Gruppe, blockiert. Die Funkes waren konservativ, die Brosts waren Sozialdemokraten. Und Anneliese Brost hat streng über das Erbe ihres Mannes gewacht.

Eine Mail von der Geschäftsführung

Nach ihrem Tod bot die Funke-Gruppe den Enkeln eine halbe Milliarde Euro für den Anteil, und bevor es zum Deal kam, hatte sich der Springer-Verlag noch eingemischt.

Springer bewertete das Unternehmen mit 1,4 Milliarden Euro, bot für Teile der WAZ mit und einer der WAZ- Geschäftsführer, Christian Nienhaus, der früher bei Springer gearbeitet hatte, hielt voll dagegen: "Ich habe schon überlegt, ob ich jetzt einen Brief an Friede Springer schreiben soll, ob wir das Hamburger Abendblatt, die Hörzu und die BZ kaufen können, weil sie bei Springer damit wenig anfangen können, und so ein Angebot jetzt offenbar Stil des Hauses ist", sagte er der Zeit. Er verglich Springers Vorgehen mit "der Manier von Finanzhaien". Das war im Herbst 2011. Und jetzt die komplette Wende.

Auch in Essen erreichte die Mitarbeiter die Neuigkeit per Mail. Nicht von den Eigentümern, der Familie Grotkamp, die man hier schon länger nicht gesehen hat. Auch nicht von der Chefredaktion, Ulrich Reitz ist im Urlaub. Die Mail schrieb die Geschäftsführung.

Der WAZ-Konzern ist nur mit wenigen seiner Zeitungen ökonomisch erfolgreich - die Braunschweiger Zeitung bringt angeblich knapp 20 Prozent Rendite, auch die Thüringer Allgemeine soll zweistelligen Gewinn machen.

Ansonsten herrscht Tristesse. Die Westfälische Rundschau soll bis zu ihrer Enthauptung jährlich Verluste in zweistelliger Millionenhöhe gemacht haben. Die NRZ ist nicht profitabel, die Westfalenpost auch nicht. Geld bringt nur, trotz sinkender Auflage, die WAZ, angeblich 13 Prozent Rendite. Sie ist der Platzhirsch im Ruhrgebiet, aber auch sie sieht irgendwie leidend aus.

Noch immer golden

Geld hat der Konzern mit den bunten Blätter gemacht. Da passt der Kauf von bunten Springer-Blättern. Das Goldene Blatt etwa soll noch immer golden sein. Und zur Hörzu passt Gong.

Dass der geplante Kauf nicht bekannt wurde, ist so untypisch für den Essener Konzern wie das Zustandekommen überhaupt. Als die beiden Familienstämme noch existierten, sagte immer einer Nein.

Woher stammt das viele Geld für den Kauf? Für die Funkes war es nicht einfach, den Kaufpreis in Höhe von 500 Millionen Euro für den Brost-Anteil zu stemmen. Die Banken, die Kredite geben mussten, schauen genau auf das Verlegergewese in Essen, aber das Geld für den Kauf der Springer-Blätter kommt nicht aus einer Familienkasse, sondern aus der Konzernkasse - und die soll immer noch sehr gut gefüllt sein.

"Wir glauben noch an die Zeitung"

Alles ist anders geworden in Essen: Das Klima im Haus habe sich "total geändert" sagt einer. Im Gesellschafterbeirat könne "heute offen diskutiert werden. Das gab es früher nicht". Dinge, die früher "nie möglich" gewesen seien, könnten angegangen werden. Aus Essen heißt es: Die "Addition von Zeitungen werde Synergieeffekte bringen" - wir glauben noch an die Zeitung."

Auch manche Mitarbeiter sehen den Kauf positiv, "als ein Zeichen des Aufbruchs, zumindest ein kleines", sagt einer aus der Redaktion, die sich derzeit mal wieder verkleinert. Jahrelang gehen die Kürzungsrunden schon so, von 900 auf gut 500 Redakteure bei der WAZ. Und immer hat die Geschäftsführung die Rausschmisse damit begründet, dass die Rendite zu klein sei.

Und jetzt einfach mal so fast eine Milliarde Investition.

Viele in der Essener Zentrale sehen für die Programm- und Fernsehzeitschriften gute Kooperationsmöglichkeiten, nicht aber für die Print-Titel, zu verschieden seien WAZ und Hamburger Abendblatt, Currywurstbude gegen Elbchaussee.

Aber das muss ja nichts heißen, WAZ-Geschäftsführer Manfred Braun hatte vor einigen Monaten schon einmal demonstriert, wie er sich moderne Kooperationen vorstellt, und die traditionsreiche Westfälische Rundschau zu einer Zeitung ohne Redaktion gemacht, die ihre Inhalte vom Konkurrenten erhält. Die Auflage wird nicht getrennt ausgewiesen, soll aber zuletzt um 15 Prozent gefallen sein, mancherorts sogar um 40.

Springer will sich nun auf die Bild- und die Welt-Gruppe konzentrieren. Auf der Mitarbeiterversammlung in Berlin sagte Döpfner: "Bild und Welt werden dauerhaft Kern des Unternehmens bleiben."

"Der Austausch geht weiter"

Aber auch hier muss gespart werden. Gerade hat Springer verkündet, dass in Berlin BZ mit Bild eins werden. Zudem spart Bild in 15 Regionalredaktionen die Blattmacher ein. Gerade von dort kamen aber immer viele der exklusiven Bild-Geschichten.

Wie sich die Trennung von den Regionaltiteln auf die Welt auswirkt, ist offen. Bisher arbeiten die Redaktionen sehr eng zusammen, die Welt-Kollegen lieferten das Überregionale, die Redaktionen von Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt das Lokale. Auch künftig soll die Welt Inhalte liefern, sagte eine Sprecherin: "Der Austausch geht weiter."

"Bayern haut Barca weg!" war die Bild-Schlagzeile am Donnerstag. Eigentlich müsste sie am Freitag lauten: "Springer haut seine Vergangenheit weg."

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