Zeitschriften-Neuauflage:Immer noch keine Diät

Zeitschriften-Neuauflage: Die neue Allegra erscheint 2016 insgesamt sechsmal und kostet fünf Euro pro Ausgabe.

Die neue Allegra erscheint 2016 insgesamt sechsmal und kostet fünf Euro pro Ausgabe.

(Foto: PR)

Springer bringt "Allegra" an den Kiosk zurück: Das Frauenmagazin bietet wieder viele gute Texte, hat seine Alleinstellung aber verloren.

Von Katharina Riehl

Die Frauenzeitschrift Allegra hat keinen Eintrag bei Wikipedia, und diese Tatsache sagt über das Magazin vermutlich nicht viel mehr aus, als dass seine große Zeit schon verdammt lange vorbei ist. Es war Mitte der Neunzigerjahre, als der spätere Stern-Chefredakteur Andreas Petzold dem Springer-Verlag ein Heft für Frauen vorschlug "ohne Cellulite-Dragees, Diäten und Schönheitsfarmen". Springer, auch verdammt lange her, stellte 35 Menschen ein, mietete ein Büro am Hamburger Gänsemarkt und schuf eine kleine Zeitschriftenlegende. Allegra gewann zahlreiche Preise, man druckte Autoren wie Simone Buchholz, Sibylle Berg und Marc Fischer. 2004 stellte Springer die Zeitschrift ein; sie rechnete sich nicht mehr.

Gut 20 Jahre nach der Erstausgabe sitzen drei Frauen in München um einen Tisch mit Törtchen, vor ihnen die neue Allegra. Petra Kalb ist Verlagsgeschäftsführerin bei Springers Magazintochter Mediahouse (Rolling Stone), Michaela Mielke, die einst Jolie und Cover entwickelte, ist Herausgeberin der neuen Allegra, Mareen Linnartz, sechs Jahre bei Nido, ihre Redaktionsleiterin. An diesem Donnerstag bringt Springer das Heft nach zwölf Jahren Pause an den Kiosk zurück, das Cover schwarz-weiß wie damals, und auch sonst sehr bemüht um den Geist der frühen Jahre.

Um zu verstehen, warum die Wiederauferstehung der Allegra eine der spannenderen Verlagsgeschichten dieser Saison ist, muss man noch einmal ein paar Jahre zurückgehen, etwa in den Sommer 2001. Damals entschied man bei Springer, einem Trend zu folgen, den die Konkurrenz von Condé Nast vorgemacht hatte. Der US-Verlag hatte in Deutschland erfolgreich Glamour auf den Markt gebracht, ein Frauenheft, das vom Feuilletonliebling Allegra kaum weiter hätte entfernt sein können.

Glamour ist, wie viele von deren Erfolg inspirierte Frauenhefte, vor allem Konsumanleitung, und erscheint im sogenannten Pocketformat, also in der Größe eines Hausaufgabenhefts. Unter dem Druck der neuen Konkurrenz wurde damals auch an Allegra heftig geschraubt, das Titelbild wurde farbig, die Themen unkomplizierter - und 2001 das Heftformat halbiert. Petra Kalb sagt, und das stimmt natürlich, man werde nie wissen, was passiert wäre, wenn Allegra "spitzer geblieben" wäre, also weniger auf den Massenmarkt geschielt hätte.

Vermuten darf man aber schon: Allegra, das besondere Frauenmagazin, wurde kaputtoptimiert. Die große Frage der Neuauflage also: Hätten die alten Werte des Heftes mehr Bestand gehabt - und haben sie es heute noch? Einen Hinweis darauf, dass es so sein könnte, gab eine Revival-Ausgabe der Allegra von 2014. Konkrete Verkaufszahlen verrät Springer nicht, aber sie scheinen gut genug gewesen zu sein, um sechs Ausgaben für 2016 zu planen, wenn auch mit minimiertem Risiko. Eine Redaktion wie 1995 hat Springer diesmal nicht eingestellt, das überschaubare Team arbeitet für Michaela Mielkes Agentur Papermind, die Allegra für Springer erstellt. Man sei aufgestellt wie ein Start-up, sagt Petra Kalb, was wohl auch zu den Erwartungen passt. Vom neuen Heft werden 120 000 Stück gedruckt; eingestellt wurde Allegra mit einer Auflage von mehr als 160 000 Exemplaren. Die Allegra-Story zeigt auch, wie extrem sich der Markt verändert hat.

In der ersten Ausgabe nun findet man viele gute Texte, eine Reportage über Beziehungen zwischen deutschen Frauen und Flüchtlingsmännern zum Beispiel, eine Kolumne der sehr lustigen österreichischen Autorin Stefanie Sargnagel; auch Simone Buchholz hat sich zu einem Stück überreden lassen und schreibt über das Fremdgehen im Kopf. Dazwischen: keine Diät, Mode und Beauty wohldosiert.

Allegra ist ein hübsches Heft, zur Wahrheit gehört aber auch, dass vieles, was den Titel einst so außergewöhnlich machte, heute auch anderswo zu finden ist. Die rotzigere Sprache und die entsprechende Optik waren etwa lange das Erfolgsrezept der derzeit schwächelnden Neon; in der neuen Allegra finden sich Formen, die an das Junge-Leute-Heft erinnern, das A bis Z des Singleurlaubs etwa oder die Umfrage zum Thema "Worüber ich mich freue".

Oder das Magazin Barbara von und mit Barbara Schöneberger. Das kommt zwar nicht so intellektuell daher wie Allegra, doch beide Hefte pflegen einen gewissen Ton, der anderen Frauentiteln fremd ist - Selbstironie sei wichtig, sagt Mareen Linnartz. Und beide arbeiten mit ähnlichen Leerstellen, die Michaela Mielke für Allegra so beschreibt: "Bei uns gibt es keine Ratschläge, es gibt Anregungen, das schon. Aber keine To-do-Liste à la ,In fünf Schritten zu einem besseren Leben'."

Glamour titelt in diesem Monat übrigens mit den "12 Gesetzen der neuen Fashion-Ikonen".

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