Alpine Zeitschriften:Magazine auf Bergschau

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Der Berg ruft, in diesem Fall sind es die Dolomiten in Südtirol. Viele Verlage haben die Gipfelbegeisterung in Hefte verpackt.

(Foto: imago)

Immer mehr Magazine bedienen die Wander- und Genusslust des naturfernen Stadtmenschen. Ein Rundblick.

Von Viola Schenz

Einst war Bergwandern eine simple Angelegenheit: Man packte morgens Regenjacke, Stullen, Wasser in den Rucksack, schnürte die Stiefel, stieg auf, genoss Aussicht und Brotzeit am Gipfelkreuz, stieg ab. Heute ist das anders, heute gibt es: Funktionsunterwäsche, faltbare Wanderstöcke, Hightech-Taschenkocher, Klettersteigschuhe, Multifunktionsmesser, Schrittzähler, vegane Energieriegel, passgenaue Holzsonnenbrillen, Rucksacktrinksysteme, Airbags.

Bergsport ist kompliziert geworden und generiert einen unerschöpflichen Fundus an modischem und technischem Schnickschnack. Das freut die Ausrüster, und es freut die Fachmedien und deren Anzeigenabteilungen, weil der Schnickschnack ja beworben sein will. "Berge sind im Trend, Wandern ist wieder in, das muss sich in der Medienszene spiegeln", sagt Bene Benedikt, Chefredakteur von Alpin. Ständig kommen neue Bergmagazine auf den Markt, sie reagieren auf den Boom, der selbst die Unsportlichsten ins Gebirge treibt.

Vor einem knappen Jahr startete Berglust mit Sitz in Baden-Baden; im April brachte der Red-Bull-Medienkonzern Bergwelten heraus, und gerade hat sich Alps, das vor fünf Jahren erstmals erschien, in einem neuen Verlag unter neuer Führung neu erfunden. Sie alle drängeln sich neben Titeln wie Bergsteiger, Alpin, All Mountain oder Land&Berge im Kioskregal.

"Die Bergmagazine folgen der Nachfrage", sagt Dagmar Steigenberger, Chefredakteurin von Bergsteiger. "Berge sind Teil des Lebensgefühls des stark urbanisierten Menschen", ergänzt ihr Kollege Benedikt. Wolfgang Winter, mit dem schönen Titel General Manager Print im Red Bull Media House verantwortlich für Bergwelten, spricht von einem "Bedürfnis in dieser global vernetzten, sich immer schneller drehenden Welt". "Wir setzen auf Entschleunigung", sagt Steigenberger von Bergsteiger (Auflage 30 000), "natürlich gibt es in den Bergen auch das Leistungsdenken, aber ich muss dort nicht vor einem Chef bestehen, sondern einfach in der Natur. Ich darf mich dort als klein empfinden, ohne mich deshalb schlecht zu fühlen." Je stressiger der Beruf, je durchgetakteter der Alltag, je digitalisierter das Leben, desto größer das Verlangen, ein paar Stunden offline zu sein - und eins mit der Natur.

"Alps" wird auch von Menschen gelesen, die sich über all die verrückten Bergsteiger wundern

Diese neue Sehnsucht will bedient und begleitet sein von den entsprechenden Medien. Sie hoffen dabei vom Boom der vielen "Land"-Zeitschriften zu profitieren - das einfache Landleben am Gipfel statt in der Ebene sozusagen. In Alps gehe es "um das Lebensgefühl in dem vielleicht schönsten Lebens- und Erlebnisraum der Welt", so Chefredakteur Michael Hannwacker. Berglust erinnert nicht zufällig an die unvergleichlich erfolgreiche Landlust und verheißt Geschichten "mit authentischen Gefühlen" - was auch immer das sein mag.

Vor dem Kamin lümmeln und betrachten

Aber ist nicht längst jeder Gipfel bestiegen, jeder Blick ins Tal fotografiert, jeder Extremkletterer porträtiert? "Es gibt immer wieder auffällige Parallelen", sagt Benedikt. "Alle bewegen sich in denselben Netzwerken, da bleibt nicht aus, dass dieselben Einflüsse wirken." Alpin (Auflage 30 000) zählt zu den Eingesessenen, seit 1963 gibt es das Magazin aus dem Münchner Vorort Gauting - für sportliche Menschen, die Berge ernst nehmen, produziert von sportlichen Menschen, die Berge ernst nehmen. Der durchschnittliche Leser, so Benedikt, sei "der anspruchsvolle und ambitionierte Bergsportler zwischen 40 und 59, männlich". Hier wird nicht geträumt und nichts verklärt, niemand lässt "seine Seele baumeln". Alpin ist handfest und praktisch. Zum Repertoire gehören brauchbare Expertentipps, bis hin zu "Olaf klärt das schon!", einer Art Bergführer-Dr.-Sommer für Leserfragen. Wenn die Redaktion etwas testet, dann gründlich und seitenlang. Aber da ja nicht nur der Verstand angesprochen werden soll, gibt es dazu auch viele schöne Bilder und Geschichten.

Anderer Ansatz, andere Klientel bei Alps. "Alpine Lebensart" so der Untertitel, es geht um die genießerischen, bequemen, behaglichen Seiten der Berge. Alps ist etwas für den Betrachter, für Leser, die vor dem Kamin lümmeln und den Kopf schütteln darüber, was manche doch für verrückte Sachen machen, da draußen in der wilden Natur: sich mit Skiausrüstung von einem Heißluftballon abseilen, etwa. Viele anschmiegsame Produkte werden vorgestellt, die irgendwie irgendwas mit der Bergwelt zu tun haben. Wenn Winterkleidung getestet wird, dann auf Eleganz, nicht auf Funktionalität. Es wird genossen, vom Tegernseer Schnaps über die Gesichtscreme bis zum Luxusresort.

Alpine Lebensfreude

In dieser Hinsicht ähnelt Alps den Bergwelten, dem "Magazin für alpine Lebensfreude": mehr als 160 Seiten, viel weiße Fläche, dickes Papier, geschätzt ein Kilo schwer. Hier gewinnt man den Eindruck, der Mensch breche vor allem zum Essen und Trinken in die Berge auf. Bergwelten bietet Hüttenwirtrezepte zum Nachkochen oder, tatsächlich, einen Weinführer für Berghütten. Aber da das Blatt wie gesagt aus dem Red Bull-Imperium stammt, muss es auch sportliche Seiten geben. Es wird also durch die Dolomiten gekraxelt, und es gibt servicebewusste Wanderjacken- und Klettersteigchecks. Dazwischen erläutert eine Versicherungsmanagerin, was man "im Himalaja für die Vorstandsetage lernen kann". Ein bisschen thematisches Querbeet mit klarem Ziel: Man möchte "bewusst sehr viele Bergfreunde ansprechen", sagt Manager Winter.

Aber so eklektisch manche Magazine erscheinen - ihre Macher sind in dem Durcheinander erstaunlich erfindungsreich. Da werden historische Routen wiederentdeckt, Benimmregeln erstellt fürs Gipfelkreuz oder Schlittenschreiner porträtiert. Und es herrscht hier nicht die bei vielen Printmedien verbreitete Angst vor der Digitalisierung - Web und Apps gelten als nützliche Helfer. "Einen Tourenvorschlag plus Wetterprognose möchte ich unbedingt digital und im Live-Modus mit den Tourendaten verknüpft sehen, da kommt kein Heft mit", erklärt Winter (Bergwelten), "aber eine inspirierende Foto- und Lesestrecke über den Watzmann werde ich sicher auch künftig in gedruckter Form lesen wollen." Und Dagmar Steigenberger, die Bergsteiger-Chefin, ergänzt: "Welcher Route ich bei der Tour XY folgen muss, so etwas finde ich heutzutage im Internet. Nicht aber die Vorauswahl: Wenn ich da und da hinfahre, wo kann ich gut essen? Was sollte ich mir nicht entgehen lassen?

Wo lohnt es sich überhaupt hinzufahren?"

"Weil er da ist", hat der Brite George Mallory einst auf die Frage geantwortet, warum er den Everest besteigen will. Er hat ihn bestiegen und das mit seinem Leben bezahlt. Viel ungefährlicher ist es doch, einfach über die Berge zu lesen.

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