"Das Zockerhaus" bei ZDFtivi:Schwulenfeindliche Entgleisungen

Logo "Das Zockerhaus"

Bällebad, Gaming und merkwürdige Sanktionen: Die Reality-Show "Das Zockerhaus" bei ZDFtivi.

(Foto: ZDF)

Sechs Jugendliche treten in einem Reality-Gaming-Format gegeneinander an. Was ein Freundschafts-Experiment werden sollte, steckt voller sexistischer und schwulenfeindlicher Klischees.

Von Clara Meyer

Das Ende der ersten Folge ist kaum auszuhalten: Da hüpfen Finn-Luca und Lenny, oder auch "Team Blau", in pinken Häschen-Kostümen durch die Kölner Innenstadt und brabbeln alberne Sätze vor sich hin. "Cringe" würde die junge Zielgruppe wohl dazu sagen. Und das ist bei Weitem nicht der schlimmste Vorwurf, den man dem ZDF-Format Das Zockerhaus machen kann. Die zentralen Kritikpunkte, denen sich der Sender mit der Gaming-Show für sein Jugendprogramm ZDFtivi aktuell stellen muss, sind Sexismus und Schwulenfeindlichkeit. Was hat es damit genau auf sich?

In der Gaming-Show für das Jugendprogramm ZDFtivi müssen sechs Jungs zwischen 15 und 16 Jahren Zweier-Teams bilden. Danach haben sie zwei Wochen Zeit, um ihren Teampartner virtuell kennenzulernen, bevor sie eine gemeinsame WG - ein fancy Loft mit Bällebad und Gaming-Set-ups - beziehen. In jeder Folge müssen zwei Challenges bewältigt werden, eine virtuell, eine real. Fifa, Stand-up-Paddeln, Kistenstapeln. Dabei sollen sie nicht nur Gaming-Skills, sondern auch Teamfähigkeit beweisen.

Ist ein Kennenlernen vor laufender Kamera wirklich die echte Welt?

Ziel ist es herauszufinden, ob die online geschlossenen Freundschaften auch in der echten Welt bestehen können. Ob zwei Wochen gegeneinander zocken allerdings schon als "Freundschaft" und ein Kennenlernen vor laufender Kamera als "echte Welt" gelten können, sei mal dahingestellt. Kritisch sind jedoch vor allem die Strafen, die von den beiden Verliererteams am Ende jeder Folge bewältigt und von den Zuschauern ausgehalten werden müssen. Denn diese sind dem ZDF mächtig aus dem Ruder gelaufen.

In pinker Einhornbettwäsche schlafen, Nägel lackieren, dem besten Freund zu Hause seine Liebe gestehen, Kleider und Glitzertattoos tragen. Folge für Folge reihen sich Sanktionen aneinander, die als weibliche oder homosexuelle Zuschreibungen gelten. Ausgeübt von formbaren Teenagern und angeschaut von jungen Zuschauern, welche die überholten Geschlechterklischees gut möglich noch nicht differenziert betrachten können. Auch die Tatsache, dass unter den teilnehmenden Gamern kein Mädchen ist, wirft Fragen auf. Lediglich die virtuelle Moderatorin "Philotis" darf eine weibliche Gestalt annehmen.

Die Missstände in Das Zockerhaus werden in einem offenen Brief an das ZDF vom Verein klische*esc, der sich für Gleichberechtigung einsetzt, kritisiert. Die schwulenfeindlichen und sexistischen Bestrafungen hätten das "Ziel, die Männlichkeit der jungen Protagonisten in Frage zu stellen ... Dadurch werden nicht nur die Protagonisten herabgesetzt, sondern insgesamt Frauen* und Homosexuelle", heißt es in dem Brief. Dem ZDF droht nun der Negativpreis "Der Goldene Zaunpfahl", den der Verein für "absurdes Gendermarketing" verleiht.

Man würde die Kritik an der Sendung ernst nehmen, heißt es in einer Stellungnahme des ZDF zu den Vorwürfen. "Es war zu keinem Zeitpunkt unsere Absicht, negative Bewertungen vorzunehmen oder Gruppen unserer Gesellschaft abzuwerten." Die Bestrafungen hätten hingegen das Ziel gehabt, gängige Klischees zu entkräften. Das ZDF entschuldigt sich in seinem Statement für den falsch entstandenen Eindruck und beteuert, sich erneut mit der Darstellung von Stereotypen in ihren Formaten auseinanderzusetzen. Die von klische*esc im Brief formulierte Forderung, die Folgen aus der Mediathek zu löschen, blieb jedoch unkommentiert.

Ärgerlich ist, dass die Sanktionen die positiven Seiten der Sendung in den Schatten stellen. Denn die Sendung vermittelt tatsächlich auch Werte wie Freundschaft, Zusammenhalt und Vertrauen. Auch dass Drittplatzierter Dennis am Ende weint, wird (überraschenderweise) nicht "toxic masculinity"-like unter den Teppich gekehrt. Es "hat einfach gezeigt, dass dieser Wettkampf eigentlich komplett unwichtig war", erklärt der Zweitplatzierte Lenny die Tränen. Die Freundschaft zwischen den Jungs sei so stark geworden, dass Dennis sich öffnen und weinen konnte. Umso trauriger, dass sich die Teilnehmer solchen Klischeekämpfen öffentlich aussetzen mussten.

Das Zockerhaus, in der ZDF-Mediathek

Zur SZ-Startseite
Amazon-Neuverfilmung 'Wir Kinder vom Bahnhof Zoo'

SZ PlusConstantin-Chef Martin Moszkowicz
:"Wir sind die Kreateure"

Constantin-Chef Martin Moszkowicz erklärt, warum Streamingdienste in Deutschland dringend gesetzlich in die Pflicht genommen werden müssen - und warum er sie trotzdem total gut findet.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: