ZDF-Talk:"Eher eine Ideologie als eine Religion"

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Moderiertes "Duell": AfD-Vize Alexander Gauland, Gastgeberin Maybrit Illner und Justizminster Heiko Maas (vlnr.). (Foto: Svea Pietschmann/ZDF)

Maybrit Illner lädt in ihrem Talk die Kontrahenten Heiko Maas und Alexander Gauland zum "Duell". Zunächst gelingt es dem AfD-Vize, die seriöse Fassade aufrecht zu erhalten, doch dann redet er über den Islam.

TV-Kritik von Paul Katzenberger

Wo endet Protest, und wo beginnt Hetze? Die Empörung bei Union, Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei ist groß, seit Pegida-Anhänger und Sympathisanten der AfD am Tag der Deutschen Einheit ausgerechnet im Nachwende-Juwel Dresden die aus Berlin angereisten Volksvertreter als "Volksverräter" verunglimpften.

Nur die AfD begreift Pöbeleien dieser Art als Ausdruck eines berechtigten demokratischen Anliegens (" Das ist des Volkes Stimme"), oder doch nicht? Das kommt immer darauf an, in welchem Umfeld sich ihre Vertreter gerade äußern.

Am Dienstag suchte Partei-Vize Alexander Gauland über eine Pressemitteilung noch den Schulterschluss mit den Krawallmachern: "Friedlicher Protest muss in einem freien Land wie Deutschland 365 Tage im Jahr erlaubt sein. Gerade am Einheitstag macht es Sinn, auch die negativen Entwicklungen zu kritisieren", hieß es da. Und: "Dass da einem einmal die Hutschnur platzen kann, ist nur menschlich."

Wem zuletzt regelmäßig bei solchen und ähnlichen Äußerungen ebenfalls die Hutschnur platzte, ist Justizminister Heiko Maas. Am Mittwoch sagte er in einem Interview mit dem Handelsblatt: "Das Bedienen von fremdenfeindlichen Ressentiments gehört zum System der AfD."

Aufgrund solcher Äußerungen wird der SPD-Politiker aus den Reihen der Rechtsaußen-Partei inzwischen angefeindet wie kaum ein anderes Regierungsmitglied.

Ein 30-minütiges Eins-gegen-eins-Duell

"Ist der Hass auf die Politik eine Gefahr für die Demokratie?", fragte Maybrit Illner in ihrem Polittalk am Donnerstag daher sowohl bei Maas als auch bei Gauland nach - stärker zuspitzen als durch diese beiden Protagonisten kann man das Thema derzeit wohl nicht.

In dem Talk, an dem auch noch der thüringische CDU-Chef Mike Mohring, die Grünen-Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg, der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer und der sächsische Polizei-Gewerkschafter Hagen Husgen teilnahmen, traten sie sogar eine knappe halbe Stunde lang in einem Eins-zu-eins-Duell gegeneinander an.

Dieser Schlagabtausch, der durchaus den Höhepunkt der Sendung bildete, machte etwas sehr deutlich, was gleich am Anfang herausstach: Gauland kann auch ganz anders reden als in der Pressemitteilung vom Dienstag. Als er nämlich von Illner gefragt wurde, ob das, was da vor der Frauenkirche passiert sei, noch Kritik und Protest gewesen sei, oder schon Pöbelei, da hörte sich die Antwort plötzlich ungewöhnlich ausgewogen an:

"Natürlich sind auch Pöbeleien vorgekommen, und das ist nie richtig. Friedlicher Protest muss sein, aber er muss sich als friedlicher Protest manifestieren. Und da ist mir manches in Dresden zu weit gegangen, das gebe ich selber zu."

Erst den Krakeelern nach dem Mund reden und dann im Fernsehen den Seriösen geben, das ist sie - die Methode AfD - und tatsächlich gelang es Maas im Eins-zu-eins-Schlagabtausch mit Gauland, diese Masche am Ende zu entlarven.

Doch in der ersten halben Stunde plätscherte der Talk doch eher orientierungslos vor sich hin. CDU-Mann Mohring warnte davor, Pegida-Anhänger - wie es etwa SPD-Chef Sigmar Gabriel tat - als "Pack" zu bezeichnen: "Wenn man diese Menschen dazu einladen will, wieder in die Mitte zurückzukehren, dann darf man sie nicht als Pack bezeichnen."

Die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg verweigerte sich der Ansicht, den Rechtsextremismus als rein ostdeutsches Problem zu betrachten, doch sie verdeutlichte: "Rechtsextremismus ist im Osten anders gewachsen und gesellschaftlich anders verankert als im Westen."

"Die sächsische Polizei hat definitiv ein Problem in ihrem Umgang mit Rechtsextremismus"

Alles sicher nicht falsch, aber auch wenig überraschend. Da war der Diskurs zwischen Rechtextremismus-Experte Olaf Sundermeyer und dem Polizei-Gewerkschafter Hagen Husgen schon interessanter. Denn Sundermeyer ging die sächsische Landespolitik wie auch die Polizei frontal mit dem Vorwurf an, den Rechtsextremismus im Land jahrelang strukturell ignoriert zu haben. Nur deswegen habe die Pegida-Bewegung in Dresden überhaupt so stark werden können:

"Die sächsische Polizei hat definitiv ein Problem in ihrem Umgang mit Rechtsextremismus und mit rassistisch motivierten Straftätern in einer Qualität, wie ich das in keinem anderen Bundesland so erleben konnte."

Husgen widersprach dem Vorwurf Sundermeyers an die Adresse der Polizei so eindeutig, wie er ihm in Bezug auf die sächsische Landespolitik recht gab: "Dass die Kollegen bei uns in Sachsen Pegida demonstrieren lassen, das weise ich ganz klar von mir. Es ist aber richtig, dass die Politik jahrelang zugeschaut hat, nur dass das heutzutage der Polizei vorgeworfen wird."

Richtig Fahrt nahm die Sendung allerdings erst durch den Showdown zwischen Maas und Gauland auf, der durch die Animositäten im Vorfeld noch angeheizt worden war. Auf der einen Seite stand Maas, der als Bundesjustizminister deutlich an Profil gewonnen hat, auf der anderen Seite Gauland - ein Polit-Profi, der es perfektioniert hat, sich einen seriösen Anstrich zu geben:

"Ich habe keine Rechtsextremisten in meinen Versammlungen gesehen", antwortete er wie ein Unschuldsengel auf eine entsprechende Vorhaltung Illners. Vielmehr würden NPD-Dinge von der Versammlungsleitung sofort beseitigt, sollten sie auftauchen: "Es ist einfach nicht richtig, dass wir Rechtsextremisten in unseren Reihen dulden."

Und natürlich seien ganz viele andere Dinge, die über die AfD behauptet werden, ebenfalls unzutreffend: Dass etwa die Partei-Vorsitzende Frauke Petry mit dem Wort "völkisch" einen rassistisch und nazistisch besetzten Begriff wieder in die deutschen Wohnstuben einführen wolle, stimme nicht. Vielmehr stamme das Wort "völkisch" aus der deutschen Jugendbewegung des frühen 20. Jahrhunderts: "Sie hat mal auf Sprache rekurriert, die eben nicht von den Nazis eingeführt worden ist."

Und was sei mit dem "Tausendjährigen Reich", auf das der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke vergangenes Jahr rekurriert habe, setzte Maas im "Duell" nach. Auch das hat nach Auffassung Gaulands überhaupt nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun: "Er hat nicht von Hitlers Tausendjährigem Reich gesprochen."

Höcke habe lediglich erklärt, dass das tausendjährige Deutschland eine großartige Geschichte habe. "Er hat damit deutlich gemacht, dass wir auf diese Geschichte stolz sein können und sollten."

Eine Spitzfindigkeit dieser Art reihte sich an die andere. Dass es etwa eine Gleichsetzung gewesen sei, die Ankunft von Flüchtlingen in Deutschland mit dem "Untergang des Römischen Reiches, als die Barbaren über den Limes kamen", in Beziehung zu bringen, stellte der frühere CDU-Politiker ebenfalls in Abrede: "Ich habe nicht gesagt, nirgendwo, dass diese Nation schon dem Untergang geweiht ist."

Zu harmlos, um wahr zu sein

Das hörte sich alles fast schon zu harmlos an, um wahr zu sein, und doch wäre es Gauland fast gelungen, mit seiner Tour ohne größeren Schaden für sich selbst durchzukommen, wenn ihm dann nicht doch noch eine These zu steil geraten wäre: "Der Islam ist eher eine Ideologie als eine Religion."

Theologisch fundiert klang das eher nicht: Seit 1300 Jahren irren sich also die Angehörigen der zweitgrößten Weltreligion - in Wahrheit praktizieren sie keine Glaubenslehre, sondern unterliegen vornehmlich einer Ideologie. Als solch Geblendete hätten sie in Deutschland nichts zu suchen, so Gauland.

Das war dann doch die eine Provokation zu viel. Maas fragte entgeistert nach, ob denn der Fußball-Nationalspieler Mesut Özil, der als gläubiger Moslem bereits nach Mekka pilgerte, dann auch nicht zu Deutschland gehöre. Und auf die Frage Illners, ob es denn überhaupt friedliche Moslems gebe, antwortete Gauland so, als ob er verträgliche Muslime für eine extreme Ausnahme halte: "Natürlich gibt es einzelne Moslems, die ihre Religion leben." Ungläubiges Gelächter im Publikum: So viel Realitätsverweigerung hätte man vom gewieften Herrn Gauland dann doch nicht erwartet.

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