ZDF-Serie "Klimawechsel":Die späten Mädchen

Was passiert mit Frauen um die 50? Doris Dörrie hat darüber eine zum Teil richtig lustige Serie fürs ZDF geschrieben.

Barbara Gärtner

Soll doch keine sagen, ihr mache das Spaß: Den Kopf unten, die Beine oben, und ein Mensch mit kalten Instrumenten in einem drin. Wenn sich aber Dr. Evelyn Bach zum Mittagspausen-Sex im Gynäkologenstuhl selbst ein wenig tiefer legt, trägt sie lila Lingerie unterm Arztkittel und quiekt vergnügt. Nur der einbestellte Lover findet es seltsam - all die Metallzangen und Klemmen, eine Armlänge entfernt penibel aufgereiht. Auch er ist nur ein Instrument.

Maren Kroymann lacht wie ein alter Mofa-Motor: knattrig und laut. In der Miniserie Klimawechsel spielt sie die Frauenärztin Bach, und wenn man sie auf die Stuhl-Sexszene anspricht, dann knattert sie besonders laut. Immerhin wird hier das Möbelstück, in dem sich Frauen normalerweise ziemlich ausgeliefert fühlen, zur Beischlafhilfe umgeschult.

Das hätte unangenehm werden können. Nicht nur langweilig oder halbkomisch, sondern richtig peinlich.

Aber die sechs Teile über Frauen im Klimakterium, von Regisseurin Doris Dörrie erdacht und zusammen mit Ruth Stadler geschrieben, sind das Gegenteil vom üblichen TV-lustig. Es ist furios, fies und, jawoll, das Beste und Böseste, was das deutsche Fernsehen für diese Altersgruppe in den vergangenen Jahren produziert hat.

Klimawechsel ist dabei nicht einmal radikal, doch angesichts der fiktionalen Soße, die sonst vergossen wird, ist dieses Angebot tatsächlich mutig. Vier Frauen, alle zwischen Mitte Vierzig und Fünfzig, werden im Zustand ihres größtmöglichen hormonellem Ausgeliefertseins gefilmt. Sie schwitzen, sie werden dicker, trauriger, müder, ungeduldiger, ängstlicher - sie beobachten sich dabei und können nichts tun. Das dramaturgische Prinzip ist, unangenehme Situation einfach umzudrehen. Das Elend des Wabbligwerdens wird im Wurstpellenstretchkleid inszeniert, die Komik entsteht in der Tragik und schont niemanden; die Frauen nicht und die Männer auch nicht.

Über Problemzonen plaudern

Die Wechseljahre und das ZDF? Maren Kroymann lacht. "Wir haben uns beim Dreh gesagt: Klimawechsel müsste zur ZDF-Zuschauerin rein altersmäßig gut passen - aber das ist natürlich ein Humor, den sie gar nicht gewöhnt ist. Der wird viele schocken." Auch Männer. Das gefällt ihr gut. Sie sagt Wörter wie "Vögeln" und "Titten", und wenn der grauhaarige italienische Wirt, der sein Restaurant in Nähe der polizeibewachten Berliner Privatwohnung von Guido Westerwelle führt, durch den leeren Gastraum streicht, dann nickt sie dazu ein freundliches Stammgastnicken.

Feminismus und Humor

Man kann mit ihr formidabel über Problemzonen plaudern: Als erste Frau bekam sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine eigene Satireshow (Nachtschwester Kroymann), 1997 musste sie trotz guter Quoten Sabine Christiansen weichen. Christiansen sei immerhin eine Frau, hatte man ihr damals gesagt, seien sie doch zufrieden. "Klimawechsel schließt da an, wo Nachtschwester Kroymann aufgehört hat", sagt Kroymann. "Diesen Humor hat es seither im deutschen Fernsehen nicht mehr gegeben."

Sie empfindet das so, man kann das sicher auch anders sehen. Jedenfalls sind bei Klimawechsel Frauen Urheber und Empfänger der Scherze. Klimawechsel macht Witze über Binden, Blutungen und die Vagina. Kroymann sagt: "Die Position dessen, der die Witze macht, ist eigentlich die des Intellektuellen. Die darf man nicht aus der Hand geben. Das haben wir Frauen viel zu spät gelernt."

Feminismus und Humor geht tatsächlich gut zusammen, auch wenn bestimmt viele abschalten, viele nicht einschalten und viele klagen werden: Muss denn das sein? Dass sich Frauen derart bloßstellen. Tun doch sonst die Männer. Eben drum, findet Kroymann. "Wir müssen uns gnadenlos parodieren und verarschen. Jede Minderheit muss für die Kritik an sich selber sorgen."

Die Häme-Klage kennt sie noch von früher, von ihren Bühnenprogrammen und Kabarettsendungen, als ihr, der Feministin, gerade von Feministinnen Frauenfeindlichkeit vorgeworfen wurde. Trotzdem empfindet sie wenig Mitleid mit den ewig Solidaritätsbetroffenen. Sie beugt sich zum Aufnahmegerät, spricht mit Nachrichtensprecherstimme, laut und superdeutlich: "Leute! Es ist sonst nicht komisch. Das lähmt ja, wenn wir auch weiterhin das Geschlecht sein wollen, das immer für das Menschliche zuständig ist. Das nie gemein ist, nie ungerecht, nie selbstgerecht."

In Klimawechsel (produziert von Constantin-Film) spielt Maren Kroymann die Garstigste von allen. Botox-Spritzen sind Standard, einer Konkurrentin näht sie die Vagina zu, und Silikoneinlagen in unterschiedlichen Körbchengrößen dekorieren ihren Schreibtisch wie Schnittblumen. Als die moppelige Angelika einen Tipp zum Abnehmen will, spitzt die Doktorin erfreut den Mund: Ja, da gäbe es ein neues Medikament. Es wirke schnell und gut, mache aber traurig. "In den USA haben sich schon einige umgebracht. Dafür waren sie aber alle schlank."

Mathe-Domina Beate

Die Wechseljahre vollziehen sich in der Serie immer wieder im Lehrerzimmer eines Gymnasiums. Schon die Berufswahl der vier Hauptdarstellerinnen zeigt, wie präzise Dörrie und Stadler geschrieben haben. Nirgendwo wirken ältere Menschen älter als vor Schülern. Unter den Hormonschüben leiden sie alle gleich, die Pubertierenden und die Klimawechsler. Vier Lehrerinnen also, die unterschiedliche Fächer unterrichten und unterschiedliche Problemlösungsstrategien verfolgen. Zum Ausweinen lassen sie sich beim Therapeuten (wunderbar interpretiert von August Zirner) oder bei der Frauenärztin Termine geben.

Alle großartig überdreht

Die Deutschlehrerin Angelika (Maria Happel) trägt Handtuch statt Schal um den Hals, um den nie versiegenden Schweiß trocken zu legen, Mathe-Domina Beate (Ulrike Kriener) hat stets ein Fläschchen Olivenöl in ihrer Handtasche dabei - gegen die Dürre in der Vaginalgegend. Cornelia (Juliane Köhler) unterrichtet eigentlich Bio, atmet gegen Panikattacken in eine Aktentasche, hortet im Kühlschrank geklaute Anti-Aging-Cremes und vergisst beim ersten Sex (mit einem Schüler) nach langer Abstinenz die Sache mit der Verhütung. Desirée (Andrea Sawatzki) fühlt sich als Künstlerin, muss aber den untreuen Yogalehrerpartner und das ewig schreiende Baby mit Kunstunterricht ernähren.

Sie alle spielen großartig überdreht, wie befreit. Sawatzki müsste Doris Dörrie ewig dankbar sein, weil sie die zuletzt wächserne Tatort-Maske abnehmen darf und derart gekonnt ins provinziell Bayrischpoltrige abdriftet, dass man sie als Verzweifelte im Stadium zunehmender Verwahrlosung kaum noch erkennt. Juliane Köhler verkörpert ein verhuschtes spätes Mädchen, und die sonst so sanfte Sophie von Kessel feldwebelt als Schuldirektorin über die Wechseljahrkolleginnen hinweg, als gelte es eine ansteckende Krankheit niederzukämpfen.

Sado-Maso-Geschichte

Doris Dörrie führte nur in den ersten beiden Folgen Regie, die restlichen teilten sich Gloria Behrens (drei und fünf) und Vanessa Jopp (vier und sechs).

Maren Kroymann ist ganz Dame an diesem Frühlingsmittag im zartlila Hemd zur dunkellila Strickjacke. Gelegentlich streicht sie beim Reden die lachsfarbene Damasttischdecke glatt, nur das Knatterlachen passt nicht. Auch in Klimawechsel gibt sie die Lady, allerdings unter einer hexenroten Perücke, in Chanel-Kostümen und mit allerlei Goldgehänge eher in der trutschigen Variante. Sie sagt: "Es ist ganz schön, dass ich mein eigenes Image anpinkeln kann."

Zum Fernsehen kam Kroymann erst in ihren späten Dreißigen, zum Kino in ihren Fünfzigern. Als 2006 Verfolgt auf den Festivals gezeigt wurde und Preise gewann, rieben sich alle ratlos die Augen. Da war die komische Kroymann als Bewährungshelferin in einer unguten Sado-Maso-Geschichte mit einem minderjährigen Häftling verbandelt. Seither traut man ihr alles zu. Eine post-klimakterielle Durchstarterin also. Und das ist ein großer Trost, wenn man sich durch die Wechseljahr-Wirren der Serie guckt. "Die gute Nachricht ist", sagt Kroymann, 60, "dass es hinterher besser wird."

Klimawechsel, ZDF, 20.15 Uhr (Doppelfolge). Folgen 3 bis 6 dann immer donnerstags, 21 Uhr.

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