ZDF-Serie: Der Kriminalist:Mord im Datschen-Idyll

Der ZDF-Krimi Der Kriminalist geht in eine neue Runde: In der vierten Staffel kämpft Christian Berkel als Ermittler gegen neoliberale Kälte an.

Barbara Gärtner

Bruno Schumann ist der Grübler im deutschen TV-Kommissariat. Wenn die anderen ihre Gerätschaften verräumen, die Befragungsblöcke zuklappen und zurück zum Revier rauschen, dann hockt er sich noch mal neben die Leiche, guckt und guckt. Mögen die Kriminaltechniker an ihren DNS-Pröbchen so allerlei herausanalysieren und seine Zackzack- Kollegen mal wieder markig "Zugriff" rufen, er hört gar nicht richtig hin; er will verstehen, die Täter und die Opfer.

Der Kriminalist, Foto: ZDF, Claudius Pflug

Ein wenig zu viel Mühe mit dem Gucken: Christian Berkel (rechts) als der Kriminalist.

(Foto: Foto: ZDF, Claudius Pflug)

Psychosprech und Fernsehen, das geht schon eine Weile gut zusammen. Angelika Kallwass entwirrt auf Sat1 seit 2001 allmittaglich alle Knoten, bei 3sat ist endlich die großartige amerikanische Therapie-Serie In Treatment frei empfangbar, auch Reihen- oder Serien-Kommissare wie Christian Berkel als Der Kriminalist Bruno Schumann kümmern sich feinfühlig menschenflüsternd mehr um Motivation und Sozialisation statt um Schuhabdrücke.

"Pickel am Arsch der Menschheit"

Die vierte Staffel eröffnet mit einem Mord im Datschen-Idyll. Tot am Boden liegt Ursula, die nette Hartz-IV-Mutti, drumherum Kartoffelsalat, Drogenstaub und eine Champagnerflasche; das Radio dudelt.

"Sie dachte immer, sie sei ein Glückskind", sagt die Tochter bei der Befragung bitter. "600 Euro Stütze und ein Glückskind!"

Dabei war das Leben tatsächlich einmal großzügig zu Ursula: Fünf Richtige im Lotto, der große Dusel der Supermarktherzchen-Sammler, die Party hat sie allerdings nicht überlebt. Denn wo Geld ist, da gibt es Streit - und wo Streit ist, da ist auch Tommy, Ursulas Hätschel- und Sorgenkind. Eigentlich ein ganz knuffiger Bursche, aber nach der Eltern-Scheidung aus der Lebensbahn geflogen: Drogen, Schlägerei, Gefängnis.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Christian Berkel in der neuen Staffel wirkt.

Eine Packung Schwangerschaftstee

Und nun, gerade aus der Haft entlassen, rennt er blutend, zitternd, austickend vor der Polizei davon, droht mit Selbstmord, kidnappt die schwangere Freundin. "Tommy ist ein Pickel am Arsch der Menschheit", grantelt Schumanns Kollege Henry Weber (Frank Giering, und der spielt richtig gut), den das gutmenschelnde Gerede seines Partners nervt. Er würde die SEK-Armee auf den Jüngling hetzten, Kommissar Schumann aber setzt auf Verstehen und Verhandeln.

Bei einer Verfolgung argumentieren sie sich im Polizeiauto in eine hübsche Debatte hinein: Schumanns sozialpädagogisches Einfühlen kontert Weber mit neoliberaler Eigenverantwortung. Da ringen also unterschiedliche Lebensmodelle miteinander, und trotzdem arbeiten die Streithähne gut zusammen, das macht die Serie unterhaltsam.

Problemprivatleben des Kommissars

Leider ist das Konstrukt als Serie mit großen Sendepausen auch eine narrative Überforderung. Die ersten Folgen von Der Kriminalist sendete das ZDF im Dezember 2006, wenige Zuschauer haben das Problemprivatleben des Kommissars parat. Wenn er also nun die Ex-Frau trifft, über Fonds und ein Mädchen spricht, dabei aber nicht erwähnt, dass es sich dabei um die gemeinsame, kürzlich verstorbene Tochter handelt, hängt diese Szene ziemlich zusammenhanglos über der Handlung.

Schade auch, dass sich Christian Berkel, der ja eigentlich ein Typ und feiner Schauspieler ist, mit seinem Gucken und Gucken ein wenig zu viel Mühe gibt. Immerhin schweigt er viel. Wenn die Kamera dem Blick des Kommissars folgend, am teuren Flachbildschirmfernseher und einer Packung Schwangerschaftstee hängen bleibt, verkneift sich Regisseur Christian Görlitz den sonst üblichen Audio-Kommentar zum Gesehenen. Ein guter Psychologe hält eben besser manchmal den Mund.

Der Kriminalist, ZDF, vier Folgen, immer freitags, 20.15 Uhr.

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