ZDF-Samstagskrimi:Seine härtere Hälfte

Mit "Herr und Frau Bulle" startet die zweite neue Reihe binnen weniger Wochen. Erneuerung? Hält sich in Grenzen. Eine weibliche Ermittlerin, die ganz bewusst aus der Reihe ihrer männlichen Kollegen tanzt? Schon mal was von "Bella Block" gehört?

Von Carolin Werthmann

Die Tangonacht im ehemaligen Swingerclub hat Heiko (Johann von Bülow) sich anders vorgestellt. Dabei fing alles so erotisch an. Maskiert und adrett gekleidet im Smoking entführt er seine Ehefrau Yvonne (Alice Dwyer) in einen Schuppen irgendwo in Berlin, sie tanzen, ihr rotes Kleid schwingt um ihre Beine. Ein verruchtes Schneewittchen ist sie, mit schwarzem Haar, weißem Teint und roten Lippen. "Tango ist Sex auf der Tanzfläche", haucht Heiko Yvonne ins Ohr, dann unterbricht ein ächzender Ton ihren Flirt. Der Pianist öffnet seinen Flügel, es knarrt, zum Vorschein kommt eine strangulierte nackte Tote. Die Polizei wird gerufen, doch eigentlich ist sie schon da: Heiko und Yvonne. Er Fallanalytiker. Sie Kriminalkommissarin. Zusammen sind sie Herr und Frau Bulle.

"Tod im Kiez" heißt die erste Folge des neuen Samstagskrimis im ZDF. Wenige Wochen nach der Ausstrahlung von Schwartz & Schwartz ist das bereits der zweite Start einer neuen Reihe. Seit Jahren gehört der Sendeplatz am Samstag um 20.15 Uhr dem Krimi: Ein starkes Team, Wilsberg, Stralsund und München Mord zählen zu den aktuell 13 Reihen wie das ermittelnde Brüderpaar in Schwartz & Schwartz und das Ehepaar in Herr und Frau Bulle. Man könnte also, je nach Perspektive, sagen: Endlich neue Krimis! Oder aber auch: Warum schon wieder Krimis? Euphorie trifft auf Skepsis - die Reaktionen schwanken zwischen "Wir wollen mehr" und "Wir haben genug". Eine Nachfrage also beim ZDF: Hat das deutsche Fernsehen noch nicht genug von Mord und Totschlag zur Primetime?

"Der ZDF-Samstagskrimi ist beim Publikum angekommen", erklärt ZDF-Redakteur Günther van Endert. "Im ersten Halbjahr 2018 hatten die Erstsendungen 7 Millionen Zuschauer. 11,5 Prozent betrug der Marktanteil bei den unter 50-Jährigen." Quoten und Zahlen bestätigen demnach, dass Krimis das sind, was ein Großteil der deutschen Fernsehzuschauer sehen möchte. Im Interesse der Zuschauer gebe es daher keinen Grund, die Programmschiene des Samstagabends abzuschaffen oder aufzuweichen. Was nicht heißt, dass erfolgreiche Programme nicht auch gelegentlich Erneuerung bräuchten, ergänzt Endert. So wurde etwa im März nach 24 Jahren Bella Block in den Ruhestand verabschiedet.

Erneuerung aber gibt es nicht, zumindest nicht in Herr und Frau Bulle. Dass ein junges, cooles Ehepaar auf der Höhe seiner beider Karrieren gemeinsam ermittelt, provoziert Sticheleien und Zickenkrieg an der Schwelle zwischen Privat- und Berufsleben, aber das ist dann auch schon das Spannendste, was die Geschichte hergibt. Als eine, deren Alltag auf der Straße stattfindet und die nicht davor zurückschreckt, sich in den Zweikampf zu stürzen und Kriminelle übers Knie zu legen, ist Yvonne bald genervt von dem analytisch-theoretischen Geschwafel Heikos, der mit Worten und Scharfsinn versucht seiner Frau zu imponieren und im besten Fall damit den Mordfall aufzuklären.

Mit der Figur der Yvonne legten Autor Axel Hildebrand und Regisseur Till Franzen den Fokus auf eine abgebrühte Kommissarin, die den körperlich harten Teil der Arbeit auf Berlins hartem Pflaster übernimmt, während ihr Ehemann seine Tage im Büro hinter dem Schreibtisch zubringt. Tatsächlich ist Yvonne aber nicht die erste weibliche Ermittlerin, die selbstbewusst aus der Reihe ihrer männlichen Kollegen tanzt. Lange vor ihr gab es schon couragierte Ermittlerinnenfiguren im Samstagskrimi, besagte Bella Block etwa.

Yvonne und Heiko und ihr Zwist als ermittelndes Ehepaar spenden der Pilotfolge zwar einen gewissen Charme, doch tröstet der nur schwerlich über den wenig originellen Kern der Handlung hinweg. Der besteht letztlich aus dem Kampf um das Revier einer Rockerbande im Rotlichtmilieu, gezwängt in ein ödes 08/15-Korsett aus der Genre-Schublade Krimi: Mord, Konflikt und Auflösung sitzen da, wo sie immer sitzen, die Knöpfe des Korsetts platzen nicht, entblößen nichts, was die Zuschauer nicht schon gesehen hätten. Fettnäpfchen im Tangoclub mit maskierten Beamten, Mord mit den üblichen Verdächtigen und nebenbei ein bisschen Ehezoff - das alles ist zu brav, zu glatt, zu uninspiriert, um von einer Erneuerung des Krimisamstags zu sprechen. Die Routine des Genres aufzubrechen ist ein Fall, der ungelöst bleibt - vielleicht will er auch gar nicht gelöst werden.

Herr und Frau Bulle, ZDF, Samstag, 20.15 Uhr.

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