Süddeutsche Zeitung

ZDF-Reihe "Heroes":Heldentreffen

In "Heroes" lernen Comedians ihre Vorbilder kennen und sprechen mit ihnen über Hand­werk­liches und Philosophisches. Dabei gibt es Erkenntnisse über Humor, für die im deutschen Fernsehen bisher kaum Platz war.

Von Bernhard Hiergeist

Wer solche Vorbilder hat, braucht keine Feinde mehr. Der österreichische Kabarettist Josef Hader stellt den Berliner Comedian Till Reiners vor. "Ich mache das nicht gern, weil ich junge Kollegen eigentlich nicht mag", sagt er. "Ich hasse sie, diese 1,90 Meter großen, penetrant nach Testosteron stinkenden, Caffè-Latte-verschmierten Vollbartträger, die sich lässig vorkommen, weil sie am Kottbusser Tor wohnen."

Das ist harsch und gleichzeitig voll Wärme geäußert. Humor kommt nicht immer als Schadenfreude oder Schenkelklopfen daher. Solche besonderen Momente schafft die Dokuserie Heroes - Aus dem Leben von Comedians. In sechs Folgen treffen Comedians ihre Idole, also ihre "Heroes", und erörtern komplexe Fragen der Unterhaltung. Wie viel Persönlichkeit steckt in Comedy? Wie viel Haltung braucht sie? Was verbindet Comedy und Religion? Das ZDF hat die Serie in seiner Mediathek veröffentlicht und folgt damit Streaming-Plattformen wie Netflix nach, die mit Hunderten Shows und Dokus schon seit langem auf Comedy setzen.

Die Unterhaltungen mit den Vorbildern sind mal philosophischer wie bei Haders/Reiners, mal werkstattmäßiger wie bei Serdar Somuncu und der Berliner Künstlerin Freddi Gralle. Manche Gespräche mögen oberflächlicher wirken, nie aber sind sie uninteressant - und immer lustig. Dazu ist Heroes angereichert mit liebevollen Einfällen und Szenen: etwa wenn die Kamera die Comedians durch die Katakomben eines Theaters auf dem langen Weg zur Bühne begleitet. So wird das Unbehagen spürbar, das Lampenfieber, aber auch die Vorfreude und Feierlichkeit eines Auftritts. Oder wenn Comedienne Enissa Amani in New York versucht, einheimischen Comedians zu erklären, wer der deutsche Kabarettist Volker Pispers ist.

Die Sendung bildet eine Entwicklung hin zur US-inspirierten Comedy ab

Da sind zwar Comedians, die recht hölzern schauspielern, als würden sie sich gerade zum ersten Mal begegnen. Und da sind Folgen, die sich nicht so recht ins Konzept fügen. Enissa Amani trifft zum Beispiel nicht ein konkretes, menschliches Idol, sondern fliegt einfach nach New York, weil die Stadt, wie sie sagt, für ihre Entwicklung wichtig war. Wozu ein Konzept formulieren, wenn man es dann nicht durchhält?

Dass bei Heroes manches gewollt wirkt, rüttelt aber nicht an den Stärken. Denn dazu sind die einzelnen Momente zu intensiv. In New York erzählt die US-Comedienne Marina Franklin von ihrer Brustkrebs-Erkrankung und wie sie diese zu Comedy verarbeitet hat. "Alles, worüber ich auf der Bühne spreche, ist wahr", sagt sie. "Es sind Geschichten, die erzählt werden müssen." Das sind Erkenntnisse über Comedy, die nicht nur die ewig quasselnde Amani verstummen lassen, sondern die auch im deutschen Fernsehen so bisher keinen Platz hatten. Heroes bildet eine Entwicklung ab, die man seit einigen Jahren auch auf deutschen Bühnen verstärkt beobachten kann: hin zur US-inspirierten Comedy mit starker Betonung des Handwerks. Diese Entwicklung bricht den Humor in Deutschland auf, der lange Zeit recht eindimensional war. Oder wie Christian Ulmen es in der Sendung ausdrückt: Lachen stehe in Deutschland meistens für "freudvolle Zustimmung". Dabei könne Lachen auch mehr sein. Nur was? Sagt er glücklicherweise nicht. Diese Leerstelle hallt ziemlich laut.

Heroes - Aus dem Leben von Comedians, ZDF-Mediathek

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SZ vom 04.01.2020
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