ZDF: My Swinging Sixties:Gottschalk: endlich 60!

Claudia Cardinale, Helmut Berger und Co: Thomas Gottschalk schenkt sich eine Veteranen-Sendung über My Swinging Sixties. Das erträgt er besser mit Rüschenhemd.

Christina Maria Berr

Auf keinen Fall Kinder mit Mundharmonika oder andere Geburtsagsschikanen, entschied Thomas Gottschalk - und plante lieber eine eigene Show, bevor sich sein Heimatsender ZDF zu irgendwelchen Überraschungen hinreißen lassen würde.

Und so präsentiert sich Gottschalk sechs Wochen vor seinem 60. Geburtstag selbst ein paar Gästen aus den Sechzigerjahren - unbeeindruckt davon, dass dies einem möglichen jüngeren Zielpublikum so egal ist wie die Anzahl von Beatles-Platten. Aber 60! Das will man nicht unkommentiert vorbeiziehen lassen.

My Swinging Sixties nennt der Spaßmacher von Wetten, dass...? seine persönliche Zeitreise. Er tritt sie in goldenen hochhakigen Stiefeln und einem schwarz-braun karierten Mantel an. Dazu Lederhose und Rüschenhemd.

"Kann ein Mann über 50 noch Rüschen tragen?", fragt Thomas Gottschalk im Warm-up zu der Aufzeichnung seiner Sendung in den Münchner Bavaria Filmstudios am Donnerstagabend. Jede ehrliche Antwort würde den - zumindest in der Mode gern mal provozierenden - Moderator vermutlich zu noch mehr Rüschenhemden herausfordern. Und ein Geburtstagskind darf ja bekanntlich alles. Auch Gäste einladen, die vermutlich die Twens von heute kaum kennen - es sei denn, sie haben einmal eine Sechzigerjahre-Show auf RTL gesehen.

Gottschalks Helden sind eben nicht Germany's Next Topmodels oder sonstige eingebildete und aktuelle Superstars. Nein, Gottschalks Helden haben etwas geleistet, auch wenn das mindestens vier Dekaden her ist. Sie entstammen einer Periode, in der Helmut Kohl aufblühte, ein weiterer Jubilar dieser Tage. Der Altkanzler wird an diesem Ostersamstag 80 Jahre alt und hat Huldigungen mancher Art ertragen müssen.

So wie Kohl der ewige Kanzler war, ist Thomas Gottschalk der ewige Entertainer des deutschen Fernsehens. Einer, der immer da war, ein paar Zoten riss und auf die Quoten schaute. Und der seine Gäste als Staffage für seine Flottheiten nutzte.

Da sind zum Beispiel an diesem Sechziger-Abend das einstige Eisläuferpaar Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler - und natürlich Claudia Cardinale, die schon öfter bei Wetten, dass...? war. Die italienische Schauspielerin holt der Moderator mit der Kutsche herein und führt sie gleich mal auf sein weißes Sofa. Ohne Sofa kann Gottschalk einfach nicht. Das ist so originell wie Espresso mit Milchschaum.

Spaß am Mitwippen

"Ich arbeite seit 51 Jahren", sagt Claudia Cardinale und in dieser Zeit habe sie alles gelebt, "von der Prinzessin bis zur Hure". Gottschalk erklärt sie umgehend zur Königin und fällt vor ihr auf die Knie. Die Schauspielerin nimmt's mit Selbstverständlichkeit und verschwindet, bevor der Swing in die Studios zurückkehrt.

Gottschalk hat Spaß am Mitwippen und da versucht er auch schon die inzwischen offenbar ziemlich gemütlichen Sänger Peter Noone von Herman's Hermits ("No milk today") und Robin Gibb von den Bee Gees zum Singen zu animieren.

Die wollen eigentlich am liebsten auf der Couch sitzenbleiben. Doch Jubilar Gottschalk, unermüdlich in seinen Promi-Paraden auch im fortgeschrittenen Alter, hat schon die nächsten Gäste im Visier. Nur Helmut Berger findet es auf der ZDF-Couch nicht gemütlich.

"Ein Kissen", fordert der einstige Schauspielstar, der seit einigen Jahren den Provokateur ohne Leistung gibt. Gottschalk zerrt vergeblich an der festgenähten Lederlehne. Berger lacht. Gottschalk fragt nach den 60ern. Aber das ist gerade gar nichts Bergers Thema. Er blickt Gottschalk an. "Du weißt ja, ich bin bisexuell", sagt er plötzlich. Der Rest seiner Avancen an Gottschalk ist nicht mehr zu verstehen. Da will Berger etwas trinken. Champagner, meint Gottschalk, "Wir unterbrechen", fordert Berger und will lieber Wein. Gottschalk hat die Sendung aber noch nicht aufgegeben und lässt Topmodel Sara Nuru gleich noch etwas Wasser dazuschenken.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Wo ist eigentlich die Uschi?" - ein Treffen der Emanzipation.

"Wo ist eigentlich die Uschi?"

"Wo ist eigentlich die Uschi?", will Berger wissen - nun nicht mehr an Gottschalk, sondern an der einstigen 68er Ikone Uschi Obermaier interessiert. In der Tat fragt man sich, warum die Gäste, allesamt in den Sechzigerjahren Stars, nicht gemeinsam auftreten. Sie hätten sich vermutlich mehr zu sagen gehabt als die bisweilen wahllos zusammengewürfelten Prominenten auf der weißen Couch. Bei Wetten, dass...? sollen möglichst viele gemeinsam auf dem roten Sofa kuscheln, in dieser vorgezogenen Geburtstagssendung herrscht das Wechselprinzip.

Das heißt auch für Berger, dass er Uschi nur hinter der Bühne zu sehen bekommt. Und genau dorthin verfrachtet ihn Gottschalk nach einer kurzen Tanzeinlage. "Ihr wart dabei", ruft Gottschalk sichtlich entspannt dem Studiopublikum zu - vermutlich hat er eine geeignete Aufzeichnung aus der Probe geowonnen.

Als Gottschalk im Jahr 1985 Klaus Kinski für die ZDF-Sendung Na sowas! interviewte, war er durchaus hartnäckiger gewesen. Die Antworten wurden absurder, die Fragen damit auch - und die Aufzeichnung von damals kursiert heute noch als Highlight im Internet.

Zeitreise mit Major Tom

Doch dafür hat Gottschalk an diesem Abend keine Zeit. Das Programm ist straff, die Gästeschar groß und Musik soll ja auch gespielt werden. Schließlich sind auch The Hollies angereist und Chubby Cecker. Dem Opa des Twist gelingt es, ein wenig Schwung in die ZDF-Bude zu bringen. Und auch Petula Clark erstaunt: Die Stimme von Downtown ist nach wie vor sehr gut. Sie stimmt gleich ein weiteres Lied an, doch Gottschalk muss, der Dramaturgie des Abends folgend, mit einer Zeitmaschine hin und her gebeamt werden.

Ein Zeitreisestrahl, viel Nebel - und schwupps, ist "Major Tom", wie eine computerverzerrte Stimme sagt, wieder irgendwo anders in den Sechzigern. Mode, Alltag, Musik - alles wird durchgenudelt. Eine Zeitmaschine passt zur damaligen Technikbegeisterung, dämlich ist sie dennoch.

Immerhin gibt es zwischendurch interessante Aufnahmen aus den Sechzigerjahren. Gottschalk wird schließlich auch in der Kategorie "Love and Peace" aktiv - dort wartet endlich Uschi Obermaier, die an diesem Abend zum ersten Mal auf Alice Schwarzer trifft. Obermaier, einst Mitglied der Kommune 1, floh schon bald in die große Welt des Rock'n'Roll und der Mode. Alice Schwarzer hingegen kämpfte im Lande für die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Ein Treffen der beiden wäre allein schon abendfüllend gewesen. Doch Gottschalk lässt Obermaier noch einen Satz zur Pille sagen, spricht selbst von Muttis Schürze. Alice Schwarzer wiederum erklärt, dass sie damals schon Obermaier, die sich schön und sexy präsentierte, bewundert habe. Wirklich? Da ist die Sendung schon wieder vorbei.

Vielleicht kann sich ja Gottschalk fürs ZDF noch einmal zurückbeamen - und etwas langsamer durch die Sechziger twisten. Vielleicht sollte er sich einfach auch einmal mit Helmut Kohl über damals unterhalten.

My Swinging Sixties, ZDF, Ostersamstag, 20.15 Uhr.

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