ZDF-Moderatorin Katty Salié:Auf die pfefferminzfrische Art

Aspekte-Moderatorin Katty Salié.

Aspekte-Moderatorin Katty Salié.

(Foto: Jürgen Detmers)

Katty Salié versucht am Freitagabend die ZDF-Zuschauer vor dem Wegdösen zu bewahren. Weil das eine harte Aufgabe ist, baumelt sie im "Aspekte"-Studio auch mal kopfüber von einer Leiter. Reicht das?

Von Viola Schenz

In einer Zeit, in der manche neue TV-Show mangels Quote nicht ihr erstes Quartal überlebt, kann man eine Sendung wie Aspekte antik nennen. Seit 1965 gibt es die ZDF-Sendung, es ist das älteste Kulturmagazin im deutschen Fernsehen - 48 Jahre alt und damit zehn Jahre älter als seine jetzige Moderatorin. Die heißt seit Januar 2012 Katty Salié. Ist es eine Ehre oder eine Bürde, eine so betagte Sendung zu übernehmen? Für Katty Salié war es vor allem die Chance auf was Neues. Sie präsentierte das WDR-Kulturmagazin Westart, hatte vorher Guten Abend RTL moderiert und auch bei Radio Fritz in Berlin.

"Ich war sieben Jahre bei Westart, das war kuschelig und heimelig, aber ich merkte, da kommt wohl nichts mehr." Für das ZDF war es die Chance, mit einer Enddreißigerin, die aussieht wie Ende 20, ein jüngeres Publikum anzuziehen. So traf es sich gut, als Aspekte-Leiter Christhard Läpple anrief und sie zum Casting einlud. Salié stach die anderen 15 Kandidaten aus. Seitdem bewahrt ihre pfefferminzfrische Art mit dem fröhlichen Lächeln die ZDF-Zuschauer am späten Freitagabend vorm Wegdösen.

Die Aspekte-Einschaltquote hat sich vor Jahren bei gut fünf Prozent eingependelt, das entspricht 970.000 Zuschauern - und die sind mehrheitlich jenseits der 50. Salié konnte in ihren 20 Monaten an diesen Zahlen auch nicht viel ändern. Was soll's - Quotendiskussionen bei einem Kulturmagazin findet sie sowieso dämlich. "Wir laufen spät, da dürfen wir uns nicht wundern, dass nicht fünf Millionen einschalten", sagt sie.

"Jeder Job muss Spaß machen"

Ein Kulturmagazin sei nun mal ein Nischenprodukt. Trotzdem versucht sie, irgendwas anders zu machen als ihre Vorgänger, ist ihre unbefangene Art irgendwie von Nutzen? Nö, eigentlich mache sie bei Aspekte nur das weiter, was sie davor schon gemacht habe. "Ich hoffe, dass rüberkommt, dass ich Spaß an der Arbeit habe. Viele denken, Spaß sei nicht vereinbar mit seriöser Kulturberichterstattung. Das ist falsch. Ich nehme alle Themen ernst, aber jeder Job muss Spaß machen, sonst hat man keine Antriebsfeder."

Dennoch kann das schwer sein in einer Zeit, in der öffentlich-rechtliche Kultursendungen keinen Alleinvertretungsanspruch mehr haben, in der jeder in Internetforen und Blogs Kulturkritiker sein kann, in der Provinzmuseen über interaktive Websites verfügen. Was macht ein Magazin wie Aspekte da noch aus? Leiter Läpple bemühte mal das schiefe Bild vom "Flaggschiff in der Kulturlandschaft". Salié muss erst mal überlegen: "Also, bei uns steht kein Leitsatz über der Redaktionstür. Haltung zu zeigen, ist uns wichtig. Und ich glaube, von der Art der Vermittlung her wollen wir leicht sein, ohne seicht zu sein."

"Dann vielleicht das ganze Gericht essen"

Ja, doch, leicht nimmt sie die Dinge. Kürzlich etwa, als Aspekte von den Festspielen in Bayreuth und Salzburg sendet, und Salié in einem pinkfarbenen, bodenlangen Chiffon-Kleid und Pumps vor der Felsenreitschule durch 35 Grad Hitze stakst. Auch beim zehnten Versuch spricht sie geduldig und konzentriert und lächelnd ihre Ansage in die Kamera. Bei den neun Anläufen davor war entweder jemand durchs Bild geradelt oder eine Lieferwagentür ein paar Meter weiter zugeknallt oder eine Passantin hatte zu laut ins Handy gesprochen oder Saliés lange braune Locken waren nach Ansicht ihrer Maskenbildnerin nicht akkurat über die Schultern gefallen.

Außentermine mit all ihren Widrigkeiten - das mag sie. Nur Beiträge ansagen - das wäre zu langweilig; jenseits des Aspekte-Studios kommt sie auf Touren: aus einem fahrenden Gabelstapler oder aus einer Rikscha in die Beiträge einführen oder zum Bayreuther Tenor Klaus Florian Vogt ins Wohnmobil klettern und ihn beim Fahren interviewen. Kulturvermittlung nicht nur für die langjährigen Opernabonnenten, sondern auch für die Zaungäste. "Ich verstehe meine Moderationen als appetitliche Häppchen, um auch Leute abzuholen, die sich nur am Rande für ein Kulturthema interessieren - und die dann vielleicht das ganze Gericht essen." Sagt's und bestellt sich im Café gegenüber der Felsenreitschule den Palatschinken. So oft verschlägt es einen eben leider nicht nach Salzburg.

"Aber Sie machen das schon ganz gut!"

Normalerweise wird im ZDF-Studio in Berlin aufgezeichnet, freitagnachmittags, Salié kommt dafür am Donnerstag aus Köln eingeflogen, wo sie mit Mann und vierjähriger Tochter lebt. In diesen zwei Tagen wird auch mit der Präsentation experimentiert, und so kommt es, dass mal ein großer Hund hechelnd neben Salié sitzt oder sie kopfüber hängend von einer Leiter ansagt. Manches gerät originell, manches wirkt bemüht. Soll so was die begehrten Zuschauer von 14 bis 49 anlocken?

Salié seufzt und lässt die Gabel sinken: "Die zwischen 25 und 40 schauen Freitagabend um 23 Uhr einfach kein Kulturmagazin. Das kann man sich abschminken. Die wirklich Kulturinteressierten unter den Jüngeren schauen sich Kultur direkt an, die gehen freitags ins Theater oder ins Konzert." Aber die schauen Aspekte dann immerhin vielleicht in den folgenden Tagen in der Mediathek an. "Meine Freunde machen das fast alle so, die klicken sich danach rein."

Auch die Studentin aus München, Mitte 20, die in Salzburg Geografie studiert, sich als Rikschafahrerin Geld verdient und heute eine moderierende Katty Salié kutschiert, hat noch nie etwas von Aspekte gehört. Das ZDF-Team nimmt's gelassen, es hat sich längst angewöhnt, immer darauf hinzuweisen: "Man kann uns auch später im Netz schauen." Im Schnitt 26.000 Mal geschieht das pro Sendung.

Etwas später naht aus Salzburgs Hofstallgasse Trost in Form einer reiferen Dame, die auf Salié zumarschiert. "Sie sind doch die von Aspekte!", sagt sie in dem strengen Ton, der reiferen Damen bisweilen anhaftet. Seit 40 Jahren schaue sie die Sendung, und ja, es sei manchmal mühsam sich immer wieder an neue Gesichter zu gewöhnen, "aber Sie machen das schon ganz gut!" Salié bedankt sich artig und lächelt ihr Salié-Lächeln.

"Das war nie mein Berufswunsch"

Die Vorgängergesichter bei Aspekte, das waren bis zur Stabübergabe im Januar 2012 Luzia Braun und Wolfgang Herles. 18 Jahre hatte die eine moderiert, elf Jahre der andere. Braun, 59, ist jetzt stellvertretende Leiterin der Sendung, Herles, 63, moderiert seitdem die ZDF-Literatursendung Das blaue Sofa. Nun, so sind sie, die Gesetze des Fernsehens: Frauen verschwinden ab einem gewissen Alter in der Redaktion, ältere Männer bekommen eine Show.

Hat Katty Salié Moderatorenvorbilder? Nein, sagt sie, ohne nachdenken zu müssen. "Dringend Moderatorin zu werden, das war nie mein Berufswunsch", ergänzt sie, "es ist auch nicht das Letzte, was ich machen werde." Sie mag keine Ziele, sie mag Bewegung, neue Dinge ausprobieren, durchs Leben stolpern. Salié, die hugenottische Vorfahren hat - daher der Nachname -, ist in der niedersächsischen Provinz aufgewachsen, in einem "Arbeiterhaushalt", wie sie sagt, hat dann in Paderborn, also wieder in der Provinz, Französische Literatur studiert. So eine Herkunft mache einen offener, neugieriger auf die Welt, sagt sie: "Man muss alles ausprobiert haben, um darüber reden und es gegebenenfalls kritisieren zu können. Nur weil ich jetzt beim ZDF bin, bereue ich nicht, bei RTL gewesen zu sein. Auch dort lernt man viel fürs Leben." Zum Beispiel den Umgang mit einem jungen Publikum. So was kann man beim Fernsehen immer gut gebrauchen.

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