ZDF-Moderatorin Dunja Hayali:Locker bleiben

ZDFdonnerstalk

Dunja Halyali will keine Kopie von Maybrit Illner sein, in deren Urlaub sie nun vier Wochen lang im ZDF den Donnerstalk bestreitet.

(Foto: Svea Pietschmann/ZDF)

Dunja Hayalis eigensinniger Charme tut dem ZDF gut. Jetzt bekommt die Frau vom "Morgenmagazin" im Sommer für ein paar Wochen ihre erste eigene Talkshow am Abend. Die Pilotsendung war vielversprechend.

Von David Denk

Dunja Hayali hat die Schuhe ausgezogen. Auf Socken lümmelt sie in ihrem Bürostuhl, die Knie angewinkelt, das rechte an den Oberkörper gezogen, das linke wie im Schneidersitz. Sonderlich bequem sieht das nicht aus. Immerhin bleibt es ein Bürostuhl, auf dem Hayali da sitzt, auch wenn ihre Körperhaltung suggeriert, dass es nur ein Sofa sein kann.

Nicht viele sitzen im ZDF-Hauptstadtstudio so da wie Dunja Hayali. Einerseits ist es ihr Kapital, ein bisschen anders zu sein, unkonventionell würden die Konventionellen sagen. Andererseits aber ist das alles sicherlich manchmal noch ungemütlicher, als ihre Sitzposition ohnehin schon aussieht - denn wer heraussticht, steht naturgemäß unter Beobachtung.

Eine reichlich tätowierte Motorradfahrerin mit "Migrationsvordergrund"

Von diesem Donnerstag an sind besonders viele Augen auf die 41-Jährige gerichtet - im Sender wie vor den Bildschirmen. Hayali moderiert als Sommerpausenvertretung von Maybrit Illner vier Wochen lang den Donnerstalk, keine reine Plauderrunde, sondern eine Mischform aus Talk und Magazin, ein Hybrid wie Hayali selbst, die ein ZDF-Gewächs ist und doch so wenig Anstaltsgeruch angenommen hat, obwohl sie seit acht Jahren das Morgenmagazin moderiert und zwischenzeitlich auch als Comoderatorin das Heute-Journal.

Wer das alles nicht der Rede wert findet, kennt das ZDF nicht und die Zielgruppe, für die dort Programm gemacht wird. Darunter soll der eine oder andere Gebührenzahler sein, für den eine wie Hayali eine Lektion in Toleranz darstellt. Eine reichlich tätowierte Motorradfahrerin mit "Migrationsvordergrund", wie die Tochter irakischer Christen konsequent sagt, und Kurzhaarfrisur, die ihren Beruf liebt - und Frauen. Sprich: ganz schön viel auf einmal fürs ZDF-Publikum.

Der Donnerstalk wiederum ist ganz schön viel auf einmal für Hayali, das sagt sie auch selbst: Zum ersten Mal hat sie keinen Moderatorenkollegen an ihrer Seite und muss eine volle Stunde mit langen Interviewstrecken live alleine bestreiten. Oder darf sie - je nach Sichtweise - alleine bestreiten, denn diese Bewährungsprobe ist auch eine große Chance für Dunja Hayali, die sagt, "so viel Spaß mir das Morgenmagazin auch macht: Mit 60 möchte ich nicht mehr um 3.45 Uhr aufstehen, deshalb freue ich mich jetzt mal auf Abwechslung."

Sie spürt Druck, den sie sich nicht zuletzt selbst macht

Hayali ist ehrgeizig und sieht das Potenzial ihres Intermezzos am Donnerstagabend. Ihre Worte wägt sie daher mit Bedacht, um die goldene Mitte zu treffen zwischen Demut und Selbstbewusstsein. "Ich bin echt aufgeregt, was ich erstaunlich finde, weil ich selten aufgeregt bin", sagt sie. "Das ist ein dickes Ding." Aber auch: "Mein Äußeres ist immer wieder Gesprächsthema gewesen - vor allem aber in der Presse. Vielleicht entsprach das anfangs nicht dem klassischen Bild einer Frau im deutschen Fernsehen. Was mir aber weder geholfen noch geschadet hat." Für sie stehe das Journalistische im Mittelpunkt, ihr berufliches Standing habe sie sich erarbeitet.

Dunja Hayali wirkt verkrampfter als bei früheren Treffen. Sie spürt Druck, den sie sich nicht zuletzt selbst macht: "Wir haben vier Schüsse, und die müssen sitzen."

Dabei ist der Donnerstalk - vom Titel mal abgesehen - ein gelungenes, überfälliges Format mit einer wachen, couragierten Moderatorin, die ihren Talkgästen weit weniger durchgehen lässt als manch überbezahlter Kollege. Hayali gelingt die Gratwanderung, hart zu sein und dennoch sympathisch zu bleiben.

Nah ran an die Lebenswirklichkeit der Zuschauer

In der Pilotsendung, die im Juni bei ZDF Info lief, ging es um Flüchtlinge, Gehirn-Doping und gesunde Ernährung. "Klar könnte der Grexit ein Thema sein", sagt Hayali, "aber eben auch all das, worüber sich die Leute auf der Straße unterhalten, Mobbing am Arbeitsplatz zum Beispiel oder der Nachbar, der mit 70 Jahren noch seine Rente aufstocken muss, um über die Runden zu kommen."

Der Donnerstalk möchte nah ran an die Lebenswirklichkeit der Zuschauer, gesellschaftspolitische, parteipolitikferne Themen aufgreifen und zu Diskussionen anregen. "Sonst wären wir eine Kopie von Maybrit", sagt Hayali, "und gegen Illner "können wir nur verlieren".

Als man sie fragt, ob ihre Sendung nicht ein Indiz dafür sei, dass der Wolfgang-Bosbach-Polittalk seinen Zenit überschritten hat, blockt Hayali ab: "Ich konzentriere mich auf uns und unser Format." Über andere will sie nicht urteilen. Lieber lobt sie den Sender: Der Donnerstalk sei "ein Experiment, und ich schätze das", sagt sie. "Das ZDF hätte es anders machen und wie in den Vorjahren eine tolle Reportage senden können oder das Auslandsjournal XXL."

Da ist sie wieder, diese Vorsicht: Hayali will das in sie gesetzte Vertrauen bloß nicht enttäuschen und nimmt dafür billigend in Kauf, eher fade Antworten zu geben, die in einem irritierenden Widerspruch zu ihrem eigentlich so offenen Wesen stehen.

Davon profitiert auch der Donnerstalk, für den Hayali, geboren und aufgewachsen im Ruhrgebiet, nicht nur als Moderatorin im Studio steht, sondern auch als Reporterin unterwegs ist.

Haltung beziehen

In der Pilotsendung besuchte sie eine Flüchtlingsunterkunft, sprach mit Bewohnern und fragte Menschen auf der Straße, ob sie einen Flüchtling bei sich aufnehmen würden (schönste Antwort: "Da müsste ich meinen Vermieter fragen"), und eine Frau, die gebürtige Russin Olga, warum sie einen Flüchtling bei sich aufgenommen hat. "Wer in Deutschland um Asyl bittet, begibt sich in die Obhut des Landes und unserer Gesellschaft", sagt Hayali in der Überleitung vom Beitrag zum Talk. "Ich finde, das ist eine große Verantwortung."

Das wiederum sei eine große Umstellung, ein Lernprozess, sagt Hayali, "ich" zu sagen, eine Haltung zu beziehen. "Es ist für mich ungewohnt, plötzlich mehr von mir preiszugeben und im Fernsehen meine Meinung zu äußern."

Wenn die vier Folgen so kurzweilig sind wie der Pilot, gibt es fürs ZDF keinen guten Grund, den Donnerstalk nicht fortzusetzen. Hayali hält sich auch in dieser Hinsicht bedeckt: "Mich fragen immer alle: Was passiert nach den vier Wochen? Ich denke darüber, ganz ehrlich, nicht nach."

Später wird sie sagen: "Ich glaube, der Donnerstalk kann gut gelingen, wenn ich ich bin." Starker Satz, die Sache ist nur: Sie selbst zu sein, das war für Dunja Hayali selten so schwierig wie in den Tagen vor dem Start ihres ersten eigenen Formats.

Donnerstalk, ZDF, 22.15 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: