ZDF-Meteorologe Tiersch:"Ohne Sakko hat man es schwer"

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Fragen an ZDF-Meteorologen Gunther Tiersch, der mit dem permanenten Öffnen seines Sakkos Millionen Fernsehzuschauer verwirrt.

Der Meteorologe Gunther Tiersch arbeitet seit 24 Jahren beim ZDF. Derzeit moderiert der 56-Jährige dort unter anderem die Wettervorhersage nach dem Heute-Journal. An der TU Berlin promovierte Tiersch einst zum Thema "Die Bestimmung der aktuellen Evapotranspiration landwirtschaftlicher Nutzpflanzenbestände mit Hilfe mikrometeorologischer Verfahren".

"Ich muss Freiheit haben" - Moderator Tiersch. (Foto: bug.bildmail)

SZ: Herr Tiersch?

Tiersch: Was wollen Sie denn von mir?

SZ: Wir möchten Sie gerne dazu befragen, wann man ein Sakko offen trägt - und wann geschlossen.

Tiersch: Eine wichtige Frage.

SZ: Wir beobachten schon seit vielen Monaten, wie Sie Ihre Wettervorhersage nach dem Heute-Journal mit einem geschlossenen Sakko beginnen, es dann allerdings - nach Sekunden nur - mit der linken Hand öffnen. Das wirkt cool. Aber auch ein bisschen unentschlossen.

Tiersch: Wenn man was zeigen will, dann sieht es doch einfach nur bekloppt aus, wenn das Sakko zu ist.

SZ: Was denn zeigen?

Tiersch: Etwas auf der Wetterkarte. Ich muss Freiheit haben. Die verschaffe ich mir, indem ich korrekt beginne und den Knopf später öffne.

SZ: Haben Sie sich das selber ausgedacht?

Tiersch: Wir haben das hier so abgesprochen. Früher moderierte ich nur im geschlossenen Sakko. Das sah wenig vorteilhaft aus und war viel zu unbequem. Meine Stylistin, so etwas gibt es beim ZDF, hatte auf einer Konferenz dann diese Idee.

SZ: Interessant, wofür es alles Konferenzen gibt.

Tiersch: Aber natürlich schreiben mir auch Zuschauer. Sie fragen, wieso ich das Sakko nicht gleich am Anfang offen trage. Es gibt immer etwas zu mäkeln. Und witzigerweise interessieren die Menschen sich am meisten für die Äußerlichkeiten. Das ist ein sehr deutsches Phänomen. Wir haben auch diskutiert, ob die Sache mit dem Knopf nicht vielleicht zu viel Aufmerksamkeit schluckt. Eigentlich geht es ja ums Wetter.

SZ: Ist der deutsche Zuschauer da besonders empfindlich? Lässt er sich leicht ablenken?

Tiersch: Finde ich schon. Manchmal bekomme ich auch Zuschriften, weil ich von "schönem Wetter" gesprochen habe. Da mäkeln manche, "schön" sei eine Wertung. Und Wertungen hätten in einer Wettersendung nichts zu suchen. Auch, dass ich mich am Ende meiner Vorhersage immer mit "Machen Sie's gut" verabschiede, ist nicht jedermanns Geschmack.

SZ: Ihr Leben hätte auch ganz anders verlaufen können. Sie waren einer der jüngsten deutschen Goldmedaillengewinner bei Olympischen Spielen. Mit 14 Jahren, im Rudern als Steuermann des Deutschlandachters 1968.

Tiersch: Wenn ich's mir recht überlege, waren Sakkos und Krawatten noch nie meine Sache. Aber so ein Kleidungsstück ist eben auch eine gesellschaftliche Konvention. Wenn ich mich in manchen Büros so umsehe, muss ich feststellen: Ohne Sakko hat man es wirklich schwer. Da würde man schon auffallen.

SZ: Warum ist das so? Wieso schätzt man Sakko- und Krawattenträger auf Konferenzen als seriöser ein als Menschen, die Polohemden tragen?

Tiersch: Schon merkwürdig, da haben Sie recht. Aber Kleidung ist eben auch etwas, was anderen Respekt zollt. Wenn alle ein Sakko tragen und man selber kommt im Pullover, dann kann das unter Umständen als Provokation verstanden werden. Das muss in meinem Alter nicht mehr sein. Dann doch lieber ein geschlossenes Sakko öffnen, wenn's nötig ist.

SZ: Und wie machen Sie's privat?

Tiersch: Man wird ja reifer. Da trag ich jetzt auch schon mal Sakkos. Die geben einem Körper Form. Bei mir etwas weniger, ich bin schon schlank.

SZ: Wann öffnen Sie Ihr Sakko wieder?

Tiersch: Erst kommenden Mittwoch. Da habe ich wieder Dienst.

SZ: Na dann: Machen Sie's gut.

Tiersch: Hey, geben Sie mir meinen Satz zurück.

© SZ vom 10.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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