ZDF-Mann singt für Merkel:Zwischen Nähe und Distanz

Ein Geburtstagsständchen von einem Journalisten für die Bundeskanzlerin? Nein, das geht nicht. Ein paar Gedanken zum Verhältnis von Politikern und Journalisten.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Kürzlich auf einem dieser Sommerfeste im politischen Berlin. Ein Landesminister hatte an dem Abend zufällig Geburtstag. Was macht ein Journalist da? Fröhlich mit einstimmen, wenn alle um ihn herum "Happy Birthday" schmettern? Natürlich nicht.

Was genau den ZDF-Mann Udo van Kampen auf der Pressekonferenz von Angela Merkel nach dem EU-Gipfel geritten hat, wer weiß das schon. Plötzlich aber fing er an - wie er glaubte im Namen aller anwesenden Journalisten - der Bundeskanzlerin ein Geburtstagsständchen zu singen.

Ein Glück, dass niemand mit eingestimmt hat. Die Peinlichkeit war so schon groß genug.

Merkel hat der langjährige Brüssel-Korrespondent damit übrigens keinen Gefallen getan. Die schaute ebenso peinlich berührt wie die Journalisten, die um van Kampen herum saßen.

Ist das schon wieder eine dieser Überempfindlichkeiten? Wollte van Kampen nicht einfach nur nett sein? Ist so ein Ständchen nicht ein Gebot der Höflichkeit?

Journalisten sind Beobachter, keine Teilnehmer

Nein, ist es nicht. Journalisten machen so etwas nicht. Sie sind Beobachter, keine Teilnehmer. Sie klatschen nicht, wenn ein Politiker eine besonders gute Rede hält. Sie jubeln nicht, wenn die Partei, die sie am Nachmittag gewählt haben, ein besonders gutes Ergebnis einfährt.

Völlig neutral geht nicht. Journalisten sind Menschen. Sie haben Biographien, Haltungen, Überzeugungen wie jeder andere Mensch. Und sie gehen wählen.

Aus professioneller Sicht aber sollte einem Journalisten egal sein, wer eine Wahl gewinnt, wer Bundeskanzler ist und ob dieser gerade Geburtstag hat. Eine kurze Gratulation, wenn es zu einer direkten Begegnung kommt, vielleicht.

Aber ein öffentliches Ständchen in einer laufenden Pressekonferenz? Mit Verlaub, Herr van Kampen, das gehört sich nicht.

Du-Bekanntschaften werden kritisch beäugt

Die berufsbedingte Nähe zwischen Politikern und Journalisten ist ständiges Thema auf den Fluren des Bundestages und sehr wahrscheinlich auch in den Brüsseler Katakomben. Es fällt auf, wenn ein Kollege privat auf einer Parteiveranstaltung erscheint und dort den Spitzenkandidaten beklatscht. Und am nächsten Tag für sein Medium über genau diese Partei berichtet.

Du-Bekanntschaften zwischen Journalisten und Politikern gibt es. Manchmal lassen sie sich nicht vermeiden, weil auch Politiker Vorleben haben. Aber sie werden kritisch beäugt.

Wer einem Politiker zu nahe steht, sollte nicht mehr über ihn oder sein Fachthema berichten, sonst gehen Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit über Bord. Eine langjährige Fachjournalistin für Gesundheitspolitik hat ihr Thema abgegeben, weil sie sich in einen Gesundheitspolitiker verliebte.

Umgekehrt gilt, dass persönliche Abneigung nicht dazu führen darf, besonders schlecht über einen Politiker oder eine Partei zu berichten.

Udo van Kampen ist lange genug im Geschäft, um das alles zu wissen. Der Ruf von Journalisten ist ohnehin nicht der Beste. Solche Aktionen lädieren ihn noch mehr.

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