Zweiteiler im ZDF:Winzer mit Vergangenheit

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Am Tisch mit Nino Sorrentino (Fabrizio Romagnoli, l.): Winzer Matteo DeCanin (Tobias Moretti). (Foto: ZDF/good friends Filmproduktions GmbH)

Mehr Psychogramm als Krimi und dazu hervorragend besetzt: Als Winzer fängt Tobias Moretti in den Südtiroler Bergen neu an - bis er Besuch bekommt.

Von Carolin Gasteiger

"Guad. Richtig guad", kommentiert Matteo DeCanin, als er den Jahrgangswein verkostet. Ein Mailänder Händler will den ganzen Lagerbestand der Cuvée kaufen und auch seine Tochter Laura macht ihm Freude, sie "ist so inspiriert".

Eleganz, Finesse - was DeCanin über seinen Wein und seine Familie sagt, trifft auch auf ihn selbst zu. Tobias Moretti, der zuletzt als Beethoven und als Salzburger "Jedermann" zu sehen war, spielt diesen Südtiroler Winzer aus Kaltern mit Souveränität, aber auch mit einer noblen Nähe zu den Leuten, die für ihn arbeiten.

Der Anfang des ZDF-Zweiteilers "Im Netz der Camorra", einer Koproduktion mit Servus TV, lässt Gewohntes aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehkrimi erwarten: Panoramablick auf die Weinberge Südtirols, der Winzer schwenkt zufrieden das Glas, die Sonne scheint über den Weinreben, an denen pralle Trauben reifen. In einer der üblichen Produktionen würde es jetzt vielleicht um Urlaubsgefühl gehen, um heile Welt, die ein Mord bitte nicht zu sehr trüben soll. Wie gut, dass es anders verläuft.

Als der Camorrista Nino Sorrentino (Fabrizio Romagnoli) auf dem Weingut auftaucht und Grüße aus Casavatore, einer kleinen Stadt bei Neapel, hinterlässt, wird klar: Matteo DeCanin war nicht immer Matteo DeCanin. "Wenn du schläfst, wie träumst du - als Matteo oder als Lorenzo? " fragt ihn Sorrentino, der den Winzer für neue Geschäfte aus dessen alten Leben braucht. Bald offenbart sich die ganze brutale Vergangenheit. Offenbar war DeCanin an der Waffe ebenso virtuos wie am Weinglas.

Manche Einstellungen erinnern an High Noon, manches ist überzeichnet (im Weinkeller läuft Giovanni Pergolesis "Stabat Mater"), und doch hat Regisseur Andreas Prochaska ("Das finstere Tal"), der zusammen mit Ben von Rönne auch das Drehbuch geschrieben hat, mit "Im Netz der Camorra" einen gelungenen Thriller geschaffen, der mehr Psychogramm als klassischer Krimi ist.

In vorwiegend dunklem Licht - mal schummrig warm im Weingut, mal nasskalt im Weinkeller - droht überall Gefahr, Verderben, der Tod. Wie DeCanin mit sich hadert, seine Familie - sehr gut besetzt mit Ursina Lardi als Ehefrau und Antonia Moretti in ihrem Schauspieldebüt als Tochter Laura - schützen will, lässt einen nicht los. Aber nicht nur DeCanin zerreißt es innerlich. Auch Harald Windisch als Kommissar Adrin Erlacher zeigt überzeugend die vielen Facetten eines Mannes, der nicht so funktionieren will wie er soll und lieber seinen eigenen Maßstäben folgt.

Die Dialoge sind immer wieder auf Italienisch, mal in rotzigem Neapolitanisch, einer von Sorrentinos Handlangern könnte genauso in Gomorrha mitspielen. Und doch überlagern einige brutale Szenen - ein Angestellter wird im Weinkeller gefoltert, eine Art Waterboarding mit Lagrein - nicht den tieferliegenden Konflikt um Freundschaft, Loyalität und dem Sich-selbst-treu-bleiben.

Ihm habe das Morden doch Spaß gemacht, sagt Sorrentino an einer Stelle zu seinem früheren Gefährten, er habe es in seinen Augen gesehen. Und wie Moretti alias DeCanin in dem Moment verängstigt in die Kamera blickt, glaubt man das sogar.

Im Netz der Camorra, ZDF, Montag und Dienstag, 20.15 Uhr, und schon vorab in der ZDF-Mediathek .

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