ZDF-Film über Leo Kirch:Vom prallen Leben des "großen Zampano"

Leo Kirch, 1976

Leo Kirch, hier im Jahr 1976 in seinem ersten Büro in München, liebte das Risiko - und konnte es meist nur mit geliehenem Geld finanzieren.

(Foto: Heinz Gebhard)

Leo Kirch war bis zu seiner Pleite jahrzehntelang eine Größe im deutschen Fernsehgeschäft. Ausgerechnet das ZDF zeigt nun eine Dokumentation über sein Leben.

Von Caspar Busse

Eigentlich waren die Pläne ganz anders: Angedacht war ein TV-Spielfilm über das Leben von Leo Kirch, ein Zweiteiler, eines dieser sogenannten Biopics, also eine dieser so populären Filmbiografien, die das Leben des undurchsichtigen Medienunternehmers in fiktionale Form packt und nacherzählt. Daraus wurde nichts, das interessiere doch kaum jemanden, hieß es. Und so hat die Berliner Filmproduzentin Regina Ziegler eben eine Dokumentation über Kirch hergestellt und das pralle Leben des "großen Zampano", so auch der Titel des ZDF-Films, in knapp 45 Minuten gepackt.

Mehr als zwei Jahre habe er daran gearbeitet, sagt der Journalist Michael Jürgs, 72, der die Dokumentation zusammen mit Kameramann Berthold Baule realisiert hat. Herausgekommen ist ein durchaus sehenswerter Film über Leo Kirch, dicht und kenntnisreich, spannend bis zum Schluss. An vielen Stellen kommt dabei auch Ehrfurcht und Bewunderung für die Lebensleistung dieses Mannes durch, der aus dem kleinen fränkischen Ort Fahr bei Volkach kam und zum "deutschen Citizen Kane" wurde. Kirch, am 21. Oktober 1926 in Würzburg geboren, am 14. Juli 2011 in München gestorben, studierte zunächst Mathematik und Physik, später Betriebswirtschaftslehre. Er finanzierte sein Studium mit Geschäften auf dem Schwarzmarkt, schon damals sei er ein erfolgreicher Zwischenhändler gewesen, heißt es im Film.

1956 fuhr er dann mit einem Partner nach Rom und kaufte mit geliehenen 25 000 Mark die Rechte an Federico Fellinis Film La strada - Szenen mit dem anderen großen Zampano Anthony Quinn ziehen sich wie ein roter Faden durch die Dokumentation, unterbrochen von etwas gewöhnungsbedürftigen gezeichneten Comic-Szenen, Graphic-Novel-Illustrationen, die dem Film laut Jürgs Modernität verleihen sollen. Nachgestellte Szenen seien so vermieden worden, Bildmaterial vom Schattenmann Kirch, der nur selten in der Öffentlichkeit auftrat, gibt es kaum.

"Kirch ist am Ende an dem Wunsch, alles zu haben, gescheitert", sagt Döpfner

Nach La strada gründete Kirch immer neue Firmen für den Rechtehandel, ging ins Risiko, meist mit geliehenem Geld - und hatte Erfolg. Die ARD-Sender, das ZDF und schließlich seit Mitte der Achtzigerjahre die Privatsender hatten immer weiter steigenden Bedarf an Programm. In seiner besten Zeit hatte Leo Kirch, der stets eine große Nähe zu Helmut Kohl pflegte, 40 000 Stunden Fernsehprogramm und 12 000 Filme zu bieten. Er engagierte sich bei Sat 1 und Pro Sieben, er kaufte die Rechte an Fußballweltmeisterschaften und an der Formel 1, er setzte massiv auf den Aufbau des Bezahlfernsehens, die Tochterfirma Unitel produzierte Mitschnitte von Konzerten und Opern. Doch am Ende übernahm Kirch sich - und musste 2002 Insolvenz anmelden, es war einer der größten Firmenzusammenbrüche. "Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen", war sein lakonisches Fazit.

Jürgs' Film ist auch ein Treffen mit alten Bekannten. Harald Schmidt erzählt, wie er einst von Kirch persönlich abgeworben wurde und wie letztlich Kirch seine Late-Night-Show erst möglich machte. Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der heute übrigens in einem Beirat von Pro Sieben Sat 1 tätig ist, darf dazu allen Ernstes sagen: "Das waren keine politischen Geschäfte, das waren ökonomische Geschäfte." Das Gegenteil war natürlich der Fall, denn es war die Bayerische Landesbank, die die riskanten Deals von Leo Kirch großzügig mit Milliardenkrediten unterstützte und am Ende auf einer Beteiligung an der riskanten Formel 1 sitzen blieb. Thomas Haffa, der ehemalige Börsenstar, der einst bei Leo Kirch im Videoverkauf anfing, hat einen Auftritt und berichtet: "Leo Kirch hatte immer das kleinste Büro. Darin gab es nur ein Schreibtisch, einen Schaukelstuhl und seine Weltkarte."

"Befreien Sie mich von Leo Kirch"

Auch Mathias Döpfner, der Vorstandschef der Axel Springer AG, erscheint und resümiert: "Kirch ist am Ende an dem Wunsch, alles zu haben, gescheitert." Dabei war er es, der den Münchner Unternehmer 2002 ernsthaft in Gefahr gebracht hatte. Verlagserbin Friede Springer hatte Döpfner den Auftrag gegeben: "Befreien Sie mich von Leo Kirch." Der war mit 40 Prozent Großaktionär und kam dem Berliner Verlag gefährlich nahe. Das tat Döpfner, dazu kam der damalige Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, der in einem Fernsehinterview (das die Bank und ihn teuer zu stehen kam) öffentlich die Kreditwürdigkeit Kirchs anzweifelte. "Erschossen hat mich der Rolf", hat Kirch später gesagt.

Interessant ist auch, wer alles nicht auftaucht. Breuer stand nicht zur Verfügung, aber auch keiner der Akteure aus dem innersten Führungskreis, die zuletzt für Leo Kirch gearbeitet haben, wollte sich äußern. Fred Kogel, Georg Kofler, Dieter Hahn, Jan Mojto, Bernhard Burgener, Werner Klatten - alle erteilten eine Absage, sagt Jürgs. Begründung: "Kein Interesse."

Es lohnt sich übrigens, bis zum Ende dranzubleiben. Jürgs weiß, wie man einen Spannungsbogen aufbaut. Er hat für die Münchner Abendzeitung gearbeitet, war Chefredakteur der Illustrierten Stern und bei Tempo, schrieb Bücher über Romy Schneider, über Günter Grass und die Treuhandanstalt. Und so hat der Journalist ganz am Ende noch eine kleine Überraschung für die Zuschauer parat. Denn da taucht plötzlich der Name von Michael Kirch, 54, auf, ein bislang unbekannter unehelicher Sohn. Dessen Mutter war einst die Sekretärin des Katholiken Leo Kirch. Sohn Michael, der an der Uni München am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Didaktik arbeitet, wollte sich selbst aber nicht filmen lassen.

Bemerkenswert ist übrigens auch, dass gerade das ZDF diese Dokumentation zeigt, fing doch mit dem öffentlich-rechtlichen Sender der eigentliche Aufstieg Kirchs an. Er kam "wie ein fahrender Händler" und verkaufte den Mainzern das, was die so dringend brauchten: Filme und Serien. Die Abhängigkeit war hoch, zeitweise stammte ein Drittel des ZDF-Programms aus dem Hause Kirch, der daran wiederum sehr, sehr gut verdiente. So brachte 1976 der Spiegel eine Titelgeschichte über das ZDF mit der Titelzeile: "Im Würgegriff von Leo Kirch." Und RTL-Gründer Helmut Thoma darf sagen: "Das ZDF hat ihm gehört."

Der große Zampano - Wer war Leo Kirch?, ZDF, 22.45 Uhr.

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