ZDF-Film mit Heino Ferch:Profiler mit Seele und Joint

Mit dem eigenbrötlerischen Richard Brock hat Heino Ferch im Pilotfilm "Spuren des Bösen" eine Rolle gefunden, auf die er lange warten musste. Und die Quote braucht. Dann geht das ZDF damit in Serie.

Christopher Keil

Manchmal muss man warten. Einfach nur warten und die Zeit des Wartens auch aushalten. Als Schauspieler wartet man auf eine Rolle, auch Heino Ferch wartet auf eine Rolle, obwohl er immer beschäftigt wird.

Spuren des BÅ°sen

Brock, der Verhörspezialist, ist verschlossen und meidet das Leben. Abhängig von seinem Erfolg will das ZDF vielleicht in Serie gehen.

(Foto: Georg Bodenstein)

Ferch wird in diesem Sommer 49, und wenn einer wie er, der so oft und auch gerne die Guten und die Bösen gespielt hat, auf die 50 zusteuert, weiß er, dass die Jahre kraftvoller Heldenrollen bald hinter ihm liegen werden und er sich Helden wie den Polizeipsychologen Richard Brock suchen muss.

Als Ferch im Frühjahr 2010 für den von ZDF und ORF finanzierten Film Spuren des Bösen in Wien antrat, war das auch ein Versuch auf allen Seiten. Es sollte, so wurde es zur Sprache gebracht, die Möglichkeit bestehen, dass die Figur Brock in Reihe geht, dass sie also über vier, fünf, sechs Episoden erzählt wird. Dafür wird Brock in Deutschland eine ausreichende erste Quote brauchen. Vor allem braucht Brock einen guten Film.

Brock war Verhörspezialist der Wiener Polizei, ein Profiler der Seele. Er ist immer noch der beste. Er setzt Kenntnisse der Psychologie, seine Beobachtungsgabe und Logik wie Messinstrumente ein. Doch Brock hat ein Problem, und man sieht es ihm an. Brocks Frau nahm sich das Leben. Das ist lange her, nur, Brock hat damit nicht abgeschlossen. Er versuchte selbst, seine depressive Frau zu therapieren, ohne Medikamente. Das wirft er sich jetzt vor, das wirft man ihm vor. Brock ist längst nicht mehr im Polizeidienst.

Sein Leben hat er in Schubladen geordnet. Tagsüber unterrichtet er an der Universität Verhörmethoden. Morgens und abends isst er in immer demselben Gasthof an immer demselben Tisch. Er liest täglich Zeitung, schläft auf der Couch, rasiert sich selten. Wenn es ihm besser geht, raucht er nachts einen Joint und tanzt im Wohnzimmer.

Den Joint holt er aus einer Box, seine alte Uhr verschließt er in einer Schachtel mit noch mehr alten Uhren. Box und Schachtel liegen in der Schublade seines Schreibtischs. Seine Vorlesungen sind gnadenlos, auch gnadenlos überzeugend.

Der ORF hat Spuren des Bösen bereits 2011 ausgestrahlt. Ein Erfolg. In Österreich gewann der Film den Fernsehpreis Romy in drei Kategorien (Bester Fernsehfilm, Bestes Drehbuch, Beste Kamera). Auch das ZDF setzte die Spuren im vergangenen Jahr an. Doch als Ferch auffiel, dass innerhalb kurzer Zeit drei Produktionen mit ihm zur Ausstrahlung gekommen wären, rief er beim stellvertretenden Programmdirektor Reinhold Elschot an und bat um Verlegung.

Wie das ZDF jetzt mit Brocks Quote umgehen wird, könnte ein interessantes Beispiel geben. Der Film wird nicht montags gezeigt auf dem etablierten 20.15-Uhr-Sendeplatz für den Fernsehfilm der Woche, sondern dienstags.

Brocks Wien ist anders

Es gibt viele Reihen und Serien mit Ermittlern im deutschen Fernsehen. Brock ist anders, sein erster Fall ist anders, Wien ist anders. Wien ist nicht die erhaltene Pracht mit Schloss, Gärten, Museen, Kirchen, Prater und Dom. Brocks Wien ist wie Brock: verschlossen, kühl, eine Fläche, eine Baustelle in blauem, kaltem Licht.

Man kann sich die Zukunft der Baustellen vorstellen, Stahlglasbetonschönheiten moderner Architektur. Und könnte man sich die Fläche aus der Nähe anschauen, würde das Kunstvolle, Überraschende sichtbar. Aber so weit sind Wien und Brock noch nicht, dass sie das zuließen. Wenn sie es überhaupt wollen.

Eine kleine Angestellte des großen Baukonzerns wurde abgeschlachtet. Ihre Schwester, die sie fand, hat den Mörder noch gesehen, seine Kleidung lag geordnet auf einer Kommode, er stand nackt im Raum, das Messer in der Hand. Sie kann sich retten. Merz, hochrangiger Beamter im Innenministerium, bittet seinen Freund Brock um Hilfe.

Und Brock hilft, im Verhörraum. Dort kann er vergessen und sein Wissen ausspielen, seinen Verstand, seine Technik, sogar Mitgefühl zeigen: Die traumatisierte Zeugin werde den Täter in Tagen, Wochen beschreiben können, sagt er, sie werde sich erinnern. Sie wird an einen geheimen Ort gebracht, von Spezialisten bewacht, unter ihnen eine junge Polizistin, Brocks Tochter Petra. Brock hat Einwände, das Gelände sei kaum zu kontrollieren. Er schreit, sein einziger Kontrollverlust. Er muss immer alles unter Kontrolle halten, er misstraut allen - und seit zehn Jahren misstraut er auch sich.

Überwiegend in Großaufnahmen, porträtiert von einer ruhigen Kamera, inszeniert Martin Ambrosch den Einzelgänger. Brock ist sich seiner, und das bis zur Arroganz, nur in erzwungenen Gesprächssituationen sicher. Das freie Gelände, das Leben, meidet er. Im Gesicht von Heino Ferch, in seiner Stimme ist das alles zu sehen und zu hören.

Noch in der Nacht werden die Zeugin und ihre Personenschützer niedergeschossen, es ist eine Hinrichtung. Keine Downbeats in dieser Szene. Brocks Tochter liegt am Boden. Brocks Verzweiflung blendet der Regisseur mit einer stummen Zeitlupe aus. Doch Petra Brock überlebt, und Brock, der am liebsten in seine Isolation flüchten möchte, beginnt, die Teile zusammenzusetzen: Schmiergeld-Millionen, Offshore-Konten, ein mächtiger Baukonzern, der von einem Schulfreund geführt wird, Korruption bei der Polizei.

Brock arbeitet nun mit der Kriminalbeamtin Angerer zusammen (Nina Proll, die so passt wie das gesamte Ensemble, zu dem auch Stefan Kurt zählt), bleibt aber Solist. Das außergewöhnlich gute Drehbuch von Andreas Prochaska verrät nichts und niemanden. Endlich kann Brock die Spuren des Bösen lesen, er wird deshalb kein lebensfroher Mann. Seine Welt bleibt klein wie ein Verhörraum. Darin spielen die letzten zehn Minuten als wunderbare Referenz an das psychologische Drama.

Heino Ferch musste auf so eine Rolle lange warten. Er hat es ausgehalten. Eine zweite Folge als Brock hat er inzwischen abgedreht.

Spuren des Bösen, ZDF, 20.15 Uhr.

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