Youtube-Star Teddy Teclebrhan:Im Typenkabinett

Teddy's Show

Tedros Teclebrhan dreht gerade seine erste Kino-Hauptrolle. Bevor es Youtube gab, wäre sein Karriereweg unmöglich gewesen.

(Foto: Stefan Gregorowius/ZDF)

Eine Karriere, die ohne Youtube unmöglich gewesen wäre: Im Internet hat Komiker Teddy Teclebrhan dank seines Improvisationstalents hunderttausende Fans. Auch das Fernsehen interessiert sich inzwischen für ihn. Eine Begegnung.

Von Franziska von Malsen

Sie tragen alle denselben blondierten Schnauzer. Acht Männer Mitte 20, Kapuzenjacken, Schlabberhosen, Bier in der Hand. Aus Halle sind sie angereist, "der Vollste fährt zurück". Grölendes Gelächter. Sie alle sind wegen des Youtube-Stars Teddy gekommen, der eigentlich Tedros Teclebrhan heißt, aber den ganzen Namen des Mannes, für den sie nach Bayreuth gefahren sind, kennen sie nicht.

Dafür kennen sie Antoine. Antoine aus Afrika, das lebende Klischee eines Immigranten. Antoine ist ihre Lieblingsfigur aus Teddys Typenkabinett, deshalb auch die aufgeklebten Schnauzbärte. Acht Abziehbilder von Antoine warten vor der Oberfrankenhalle auf Einlass. "Teddy is' wie wir, das lieben wir an ihm", sagt einer. "Der macht sich keene Platte, der Pisser!" Hohoho! Bebende Schnauzbärte.

Knapp 450 000 Menschen haben Teclebrhans Youtube-Kanal abonniert. Mit seiner Live-Show füllt er die Hallen in ganz Deutschland, inzwischen auch in Österreich. Die meisten seiner Zuschauer sind zwischen 14 und 29 Jahre alt. Es sind diejenigen, nach denen das öffentlich-rechtliche Fernsehen in seinen Quotenkurven lange suchen muss. Kein Wunder, dass man sich in den Sendeanstalten längst für Tedros Teclebrhan zu interessieren begann.

Antoine beim "Integrationstest"

Bekannt wurde Teddy, der Youtube-Star aus dem Schwäbischen, mit dem "Integrationstest", einem schnell und dreckig gedrehten Spaß mit Freunden. Eine Einstellung, sechs Minuten, der Ton übersteuert: die Geburtsstunde der Figur Antoine. Im Netz erreichte das Video binnen weniger Tage Millionen. In jenem Video stellt ein Reporter ihm Fragen, auf der Straße, Antoine weiß Bescheid: der Bundeskanzler heißt Angelo Merte, sein Vorgänger war Hitler. Nur vom Mauerfall hat er noch nie gehört: "Was laberscht du, Alta?"

In diesem ersten Filmchen sah man es bereits: Teclebrhans große Begabung ist sein Improvisationstalent. In seiner Live-Show pickt er einzelne Zuschauer aus dem Publikum heraus und lässt sie seine Figuren treffen. Es hebt das Publikum vor Lachen fast aus den Stühlen, wenn Teclebrhan eine seiner Figuren sagen lässt: "Die Geräusche: des waren keine Ungeheuer. An dem Abend hab ich d'Mutter g'vögelt!" Feinsinnige Ironie geht anders. "Klar ist das ein sehr direkter Humor", sagt Teclebrhan. "Aber ich glaube nicht, dass man wahnsinnig intellektuelle Witze machen muss, damit das eine politische Dimension bekommt. Ich will unterhalten."

Vom Immigrantenkind zum Star

1983 kam Teclebrhan in der eritreischen Hauptstadt Asmara zur Welt. Das Land war da schon zwanzig Jahre in gewaltsame Kämpfe verwickelt, Teclebrhans Mutter flüchtete mit ihren drei Söhnen nach Deutschland. Teddy, der jüngste, ist erst wenige Monate alt. Die Familie bekommt Asyl und zieht in die Nähe von Tübingen. Wenn deutsche Journalisten seine Lebensgeschichte aufschreiben, liest sich das oft so: Immigrantenkind, große Entbehrungen, schwere Jugend, beinahe auf die schiefe Bahn geraten. Die Schauspielerei hat dann alles verändert, heute ist er ein Star.

In Teilen stimmt das auch - natürlich habe seine Mutter es nicht leicht gehabt, sagt Teclebrhan. Trotzdem nervt ihn, dass dieser Teil seiner Biografie so betont wird. Auch dass er zufällig in diesen Beruf geschliddert sei, stimmt nicht. Teclebrhan wollte spielen. Er besuchte eine Schauspielschule in Stuttgart und stand ein Jahr lang in einem Musical auf der Bühne.

Improvisation ist alles

Besucht man ihn in seinem Büro in einem ausgedienten Flachbau in Köln-Ehrenfeld, kann man beobachten: ähnlich, wie sich Teclebrhans Figuren durch ihr Leben improvisieren, improvisiert ihr Erfinder seine Youtube-Filme. Nach und nach treffen fünf Freunde ein; um elf Uhr soll es losgehen, um halb zwei drehen sie den ersten Take. Dazwischen wird ein Drehort gesucht, Musik gemacht, der Aufnahmeleiter bekommt noch einen Crashkurs, wie man Ton angelt, der Kameramann klebt mit einem Stück Tape zum vielleicht 17. Mal sein angebrochenes Stativ. Jeden Montag erscheint ein neues Youtube-Video.

Auch so kann man Filme machen. Teclebrhan kennt aber auch die konventionelle deutsche Film- und Fernsehmaschine. Vor einigen Wochen war er in einem ZDF-Krimi zu sehen, im Juli läuft die deutsch-österreichische Agentenkomödie Die Mamba an. In beiden Filmen spielt er Nebenrollen.

Für seine erste Hauptrolle dreht er gerade den Kinofilm Halbe Brüder, zusammen mit Sido und Fahri Yardım. Gegen die jungen Fans, die Teclebrhan aus dem Internet mitbringen kann, hat man bei den Sendern sicher nichts. ZDF Neo, der junge Ableger der weniger jungen Rundfunkanstalt, machte aus Teddys schwer erfolgreichem Netz-Humor 2011 zwischenzeitlich sogar eine eigene Fernsehshow - Teddys Show.

Klischees auf der Bühne

Aber Teddy ist nicht nur Comedian, sondern auch Schauspieler - Taxifahrer, Drogendealer, Terrorist, Afrikaner, das sind die Rollen, die Teclebrhan im deutschen Film- und Fernsehsystem bislang abbekommen hat. Caster und Produzenten sagen am Telefon: "Der ist ja kein schwarzer Schwarzer." Bevor man über Teclebrhans schauspielerisches Können spricht, geht es um die Schattierungen seines Hauttons. Wie rassistisch ist der deutsche Kulturbetrieb?, fragte Der Spiegel kürzlich Theaterleute, Kuratoren, Schriftsteller und Schauspieler. Die Interviewten erklärten, diskutierten, prangerten an. Teclebrhan selbst macht von alldem: nichts.

"Mich juckt das mit den Rollen nicht." Aber wenn's dann gleich drei Taxifahrer in einem Jahr seien, denke er schon: "Da kann ich auch im echten Leben Taxi fahren." Statt Taxi zu fahren und sich zu grämen, dreht er lieber eigene Filme. Und erreicht sein Publikum vorbei am etablierten System. Bevor es Youtube gab, wäre sein Weg undenkbar gewesen.

Mehr als nur den Taxifahrer spielen

Es ist kein Zufall, dass Deutschland nach Kaya Yanar und Bülent Ceylan viele Comedians mit nicht-deutschen Namen hervorgebracht hat. Dabei ist es schon paradox: Indem die Comedians Klischees auf die Bühne bringen, befreien sie sich von ihnen und landen genau dadurch gleich in der nächsten Schublade. Auf der steht dann "Migrantenstadl".

Teclebrhan will mehr als das und ist sich sicher, dass er in großen Kinofilmen spielen wird - und nicht nur den Taxifahrer. Schauspieler mit türkischen Namen, Sibel Kekilli oder Fahri Yardım, werden mittlerweile in Filmen besetzt, in denen ihre Herkunft nicht mehr Teil des Plots sein muss. Einem mit eritreischen Wurzeln aber prophezeien die Regisseure immer noch: Du wirst es schwer haben, Teddy. Erst als der französische Erfolgsfilm Ziemlich beste Freunde in die deutschen Kinos kam, tat sich was. "Ein Schwarzer und ein Behinderter, die sich noch dazu gegenseitig fertig machen!?" Da hätten, sagt Teclebrhan, alle Produzenten und Redakteure plötzlich gesagt: "So eine Geschichte wollten wir ja schon lange machen!"

Antoine würde wohl sagen: "Alta! Was laberscht du?!"

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